Dr. Julius Stieber im Gespräch über Linz und Kultur

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Im Rahmen des Linz Verändert – Zelts haben wir Kulturdirektor Dr. Julius Stieber zum Gespräch getroffen.

Dr. Julius Stieber, links im Bild, Kulturdirektor der Stadt Linz

Das diesjährige Thema des Linz Verändert – Zelt lautet “Linz als Kulturstadt”. Aus Ihrer Sicht als Kulturdirektor der Stadt: Was macht Linz in dieser Hinsicht einzigartig?

Dr. Julius Stieber: Das muss man im österreichischen Kontext sehen, da ist Linz ganz sicher die Stadt, die am zeitgenössischsten orientiert ist, es ist die Stadt der Gegenwartskunst, auch die Stadt der Zukunft, was Kulturthemen betrifft, und zumindest in Österreich haben wir da sicher die Nase vorne und insofern ein Alleinstellungsmerkmal.

Das kann man jetzt an einigen Beispielen festmachen: Klarerweise die Ars Electronica und der Medienkunstschwerpunkt, wir haben in der Stadt auch eine sehr hohe Dichte an zeitgenössischen Ausstellungshäuser, wie OK – Offenes Kulturhaus, Lentos, Salzamt, Landesgallerie. Wir sind vor allem die Stadt, die die modernste Infrastruktur im Kulturbereich hat, es sind die meisten und die größten Kulturbauten in den letzten 10 Jahren errichtet werden, jetzt zuletzt das Musiktheater, und ich glaube, da kann uns in Mitteleuropa keine Stadt das Wasser reichen.

Wie konnte Linz in eigentlich sehr kurzer Zeit so ein großes Renomée aufbauen?

Dr. Julius Stieber:Dazu braucht es natürlich eine visionäre Politik, die den Standort im internationalen Kontext denkt, den Wirtschaftsstandort, den Kulturstandort und den Sozialstandort Linz miteinander verknüpft, das war eine bewusste Entscheidung, um nicht nur die Stadt kulturell zu öffnen und zu modernisieren, sondern auch in Hinsicht auf Linz als Wirtschaftsstandort zu arbeiten, es war immer das Bestreben, dass sich Linz infrastrukturell, auch im kulturellen Bereich, überregional aufstellen soll und muss und kann, und dass das auch Folgewirkungen auf das wirtschaftliche, aber auch wissenschaftliche Umfeld hat. In diesem Kontext zu denken, das halte ich für sehr modern, und die Kultur profitiert davon sehr stark.

Aber die Kultur steht natürlich für sich und soll nicht nur die Wirtschaft ankurbeln. Kultur hat einen Bildungsauftrag, das wird alles gesehen, aber man denkt heutzutage richtigerweise vernetzter, Investitionen in die Kultur, und das hat die Politik erkannt, haben Folgenwirkungen für den Wirtschaftsstandort. Das ist ein wichtiger Bestandteil dieser Ermöglichungskultur, die um sich gegriffen hat, das ist auch ein wichtiges Argument, um es politisch durchzubringen. Das muss man auch dazusagen, dass ja Kulturinvestitionen nach wie vor stärker einer Rechtfertigung bedürfen, als beispielsweise Straßenbauprojekte. Da ist es sehr klug, den Bezug zur Wirtschaft herzustellen, weil das vielen Menschen nicht bewusst ist, und man damit auch politisches Agreement, über die Parteien- und Mediengrenzen hinweg, erreicht.
Ein Ziel in diesem Zusammenhang ist Nachhaltigkeit. Das war beim Bau des neuen Ars Electronica Center schon wichtig, das war im Europäischen Kulturhauptstadtjahr 2009 bestimmend, wir haben es kürzlich auch beim Musiktheater erlebt, dass ein Standort von Innovation lebt, ein Image aufbauen kann, über Kultur, über Innovation, also über zwei benachbarte Gefilde, und das bestimmt nachhaltig die Folgewirkung auf den Wirtschaftsstandort.

Ich als Kulturdirektor reduziere es natürlich nicht darauf, und das tut auch die Politik nicht, aber es ist wichtig, mit der Bevölkerung das Commitement in diese Richtung zu erreichen.

In Linz ist es gelungen, Kunst- und Kulturprozesse zu starten, die letztlich auch für die Stadt von Vorteil sind.

Wir achten natürlich darauf, dass wir im Sinne von “Kultur für alle”, ein altes Motto, das wird immer wieder neu interpretieren, den Bildungsauftrag ernst nehmen. Dieser ist eigentlich bei jeder Kultureinrichtung und jedem Event gegeben. Die Aufgabe ist, dass wir die Menschen auch befähigen, selbst ihre Wahrnehmung zu schärfen, ihre Fähigkeiten, was die Auseinandersetzung und Rezeption von Kunst und Kultur betrifft, zu verbessern und zu stärken. Dafür gibt es verschiedene Angebote, das beginnt beim freien Museumseintritt für Schülerinnen und Schüler, über Events wie Klangwolke und Pflasterspektakel bis hin zu den Vermittlungsprogrammen, Ausstellungen, die didaktisch, methodisch gut aufbereitet sind, bis hin zu Talks, Diskussionsrunden, Jugendarbeit und so weiter.

Das Spektrum wird so breit wie möglich gehalten, wenngleich in Linz sicher Schwerpunkte vorhanden sind. Einer ist ganz klar rund um die Ars Electronica und Neue Medien, mit allen Fragen, die sich dabei stellen, gesellschaftspolitischer Natur, die Schnittstellen zwischen Medien und Kunst, etc, und natürlich jetzt endgültig durch die Eröffnung des neuen Musiktheaters haben wir in Linz sicher auch einen Musikschwerpunkt.

Das Musiktheater haben wir schon besprochen, die Tabakfabrik ist auch sehr frisch in der Linzer Kulturszene, worauf darf man sich als Linzerin, als Linzer freuen, wohin geht die Entwicklung?

Dr. Julius Stieber: Ich glaube, dass die Tabakfabrik ein Stadtentwicklungsprojekt für den Linzer Osten ist, da muss man weit über die Kultur hinausdenken, das tun die Verantwortlichen vor Ort auch. Man darf das also nicht isoliert betrachten, sondern im Kontext der Entwicklung der Stadt in Richtung Osten, in Richtung Hafen, in letzter Konsequenz.

Da kann die Tabakfabrik ein Brückenpfeiler sein zwischen Linzer Innenstadt und Linzer Hafen, in diesem Spannungsbogen sehe ich das, und natürlich kann sie auch für das Viertel sehr viel leisten. Aber letztlich muss man die Tabakfabrik, auf Grund der Architektur und ihrer Bedeutung, der Größe des Areals, natürlich auch in einem internationalen Kontext sehen. Ich glaube, dass es schon ein Referenzmodell sein kann, für eine andere Art, mit historischen Gebäuden umzugehen, die Ausrichtung letztlich nicht in Richtung Eventisierung zu legen, sondern die Ausrichtung, und das ist auf Schiene, in Richtung Produktionsstandort zu legen.

Ich glaube, dass man in Linz ausreichend Veranstaltungsflächen hat, sei es durch Konzerthäuser, Museen und andere, und dafür einen Bedarf hat an Produktionsräumen, für KünstlerInnen, für Kulturschaffende. Die sogenannte Kreativwirtschaft und Einrichtungen, die letztlich in verschiedenen Bereichen, im Bildungsbereich, im Sozialbereich, auch im Forschungsbereich, zukunftsorientiert agieren, innovativ sind, neue Formen des Arbeitens, des Produzierens austesten, all diese Gruppen könnten in diesem Labor Tabakfabrik einen geeigneten Ort finden und vor allem auch Synergien mit anderen Bereichen vor Ort schaffen. Das ist die Idee hinter dem Konzept Tabakfabrik, dass man aus verschiedenen Bereichen Menschen an einen Ort bringt, die zwar von der Sache her unterschiedliche Agenden haben, aber von der Methode her sehr ähnlich vorgehen, was Themen und Arbeit betrifft. Ich glaube, dass man die Tabakfabrik als zukunftsweisenden Produktionsort gut entwickeln kann und dass das dann auch eine internationale Strahlkraft bekommt.

Man kann also festhalten, dass die Zukunft des Kunst- und Kulturschaffenden in einer gewissen Vernetzheit liegt, und dass diese von der Stadt Linz gefördert wird?

Dr. Julius Stieber: Wenn wir Kultur in der Stadt denken, dann denken wir an ein Knotengebilde, auf Basis von Synergien. Es ist durchaus an der Zeit, dass man in Kultur und Wirtschaft die Schnittstellen herausarbeitet, dass es hier keine Berührungsangste gibt.
Ich glaube auch, dass viele Inputs für den Kulturbereich aus der Wissenschaft kommen können, und aus der Bildung, da ist die Ars Electronica ein Vorzeigeprojekt, wie so eine Schnittstelle funktionieren kann, das müsste man für ganz andere Bereiche Andenken, und da denke ich, dass die Tabakfabrik ein passender Ort wäre.

Im Linz Verändert – Zelt kann man sich noch bis Sonntag, dem 5. Mai, ein umfangreiches Bild darüber verschaffen, wie Linz als Kulturstadt funktioniert.