Und bist du nicht willig…

Archivia_Header-011,

Das Cultural Broadcasting Archive (CBA) blickt auf eine über zehnjährige Geschichte zurück. Es hat sich kontinuierlich weiterentwickelt. Was ist es heute für euch?

TD: Es erfüllt unterschiedliche Funktionen, die nicht nur für den Alltag der freien Radios wichtig sind. Die Einstiegsseite des CBA spiegelt das schön wider: wir begrüßen die Leute mit „Austauschplattform, Archiv, Podcast-Provider und Zeitdokument“. Es ist also eine ganz pragmatische Austauschplattform für den Alltag der freien Radios, ein Archiv als Datensammlung, die für Recherchen frei zur Verfügung steht und es ist ein Podcast-Provider. Dieser Punkt bezieht sich auf die Funktion, eine zusätzliche HörerInnenschaft im Netz zu erreichen. Schlussendlich ist es auch ein Zeitdokument, das sich über die letzten 14 Jahre entwickelt hat.

Im Netz gibt es jetzt unzählige Angebote eigene Inhalte kostenlos zu veröffentlichen. Was macht das CBA in diesem Kontext weiterhin bedeutsam?

TD: Erstens ist das Archiv eine Sammlung von ähnlichen Inhalten. Die Leute, die etwas auf das CBA laden, sind auch gleichzeitig die stärksten Nutzer des Archivs. Da gibt es also einen Community-Aspekt. Auf der anderen Seite haben wir ganz dezidiert kein kommerzielles Verwertungsinteresse. Die Daten bleiben zu 100% unter der Kontrolle der User. Das ist manchen sehr wichtig und gerade dieses Thema wird immer publiker. Die Leute beginnen vermehrt zu überlegen: „Möchte ich Google meine Daten für die Verwertung gratis zur Verfügung stellen?“

IL: Darüber hinaus macht das CBA sicher die Werbefreiheit und auch die Unabhängigkeit der Infrastruktur stark. Sie wird vom Verband der Freien Radios zur Verfügung gestellt.

TD: Servus.at ist unser langjähriger Partner, der die Infrastruktur betreibt. Wir verwenden auch ausschließlich freie Software für den Betrieb des CBA.

Ihr möchtet das CBA also einerseits noch stärker zu einer Community Plattform machen. Auf der anderen Seite versucht ihr, mit eurem Open Source Projekt auch auf BetreiberInnenseite die Community auszubauen. Worum geht’s in der Kampagne?

IL: Bis dato gibt es in dem Sektor noch wenige Open Source Lösungen. Wir wollen den Quellcode offenlegen und dazu muss er zuerst dokumentiert werden – damit er auch erweiterbar wird. Dann können andere den Code runterladen, ihn bearbeiten und für eigene Zwecke und Maßstäbe anpassen. Neue Leute von außen werden also an das Projekt andocken können. Wenn dann jemand für sich ein zusätzliches Modul entwickelt und die Funktionalität erweitert, dann können auch alle anderen davon profitieren. Ziel ist, das Projekt damit stärker zu streuen. Wir wollen, dass mehr private Archive ins Netz kommen. Es gibt viele schlummernde Datenbestände, die von großem öffentlichen Interesse sind, aber mitunter aus technischen Gründen noch nicht veröffentlicht wurden.

Im Rahmen der Konferenz ARCHIVIA werden während der heurigen ARS Electronica einige der Probleme thematisiert, vor denen digitale Archive wie das CBA mitunter stehen …

TD: Schwierig wird es prinzipiell immer dann, wenn Rechte Dritter berührt werden. In den traditionellen Mediensektoren wie dem UKW-Rundfunk ist klar geregelt: du hast als Frequenzinhaber das Recht zu senden und die Rechteverwerter haben die Pflicht, dir eine (kostenpflichtige) Lizenz zu geben. Dieses Recht „zu senden“ – also Inhalte (zB. eine Radiosendung) zur Verfügung zu stellen – gibt es im Onlinebereich aber noch nicht. Damit ist man als kleiner Archivbetreiber wie wir natürlich in einer sehr schwierigen Verhandlungsposition.

IL: Man ist zusätzlich den Rechteinhabern ausgeliefert, ob es überhaupt eine Lizenz gibt.

TD: Wenn man sich ansieht, dass sogar riesige Konzerne wie Google oder Amazon groß mit den Rechteverwertern, -inhabern und Labels prozessieren und es jahrelang dauert, sich zu einigen, dann wird deutlich, dass es für kleine Betreiber noch viel schwieriger ist, Vereinbarungen zu treffen. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass es eine politische Lösung braucht. Wir können uns Einzelabsprachen schlichtweg nicht leisten. Das heißt: Was sich die Freien Radios in den 80er und 90er Jahren erkämpft haben muss jetzt wieder erkämpft werden: das Recht, zu senden – dieses Mal aber im Netz.

IL: Es geht uns hier explizit um nicht-kommerzielle Archive, die den freien Zugang zu Information zum Thema haben. Die Inhalte, um die es sich da dreht, wurden ohnehin bereits aus Mitteln der öffentlichen Hand finanziert. Wir sind der Meinung, dass es möglich sein muss, diese Inhalte der Gemeinschaft auch wieder zuführen zu können. Die politische Kampagne ist auch dazu da, uns mit anderen Organisationen vernetzen und dem Thema auf breiter Basis Raum in der politischen Diskussion zu verschaffen. Bis dato gibt es ja für solche Archive keine Lobby.

Ist das also die zentrale Frage, die es zu klären gilt, um die Zukunft der Archive im Internet zu gewährleisten?

IL: Genau. Wichtig ist auch, sich gegenüber der Politik als Bündnis bemerkbar zu machen. Momentan werden die UrheberInnen gegen die „bösen“ KonsumentInnen ausgespielt und die Verwertungsindustrie, die dieses Verhältnis maßgeblich bestimmt, wird überhaupt nicht thematisiert. Überhaupt kommen viele Gruppen die politische Ansprüche im öffentlichen Interesse zu reklamieren hätten in dieser Debatte überhaupt nicht vor. Es ist wichtig, dass diese Standpunkte und andere Perspektiven auf das Thema ebenfalls sichtbar werden. Worum es geht ist ja der Zugang zu Information für alle.

Gibt es innerhalb der CBA-Community ein Bewusstsein für die demokratiepolitische Bedeutung des Archivs?

TD: Man merkt schon, dass ein Paradigmenwechsel in der Nutzung stattfindet. Es gibt SendungsmacherInnen, die ihre Programme auf das CBA laden und dann den Radiostationen den Link schicken und sie bitten, das File auf diese Art zu senden. Das bedeutet, dass das CBA mehr und mehr zum Erstausstrahler wird. Ich glaube, dass wir in der Debatte um die Zukunft der freien Radios ziemlich am Anfang stehen. Wie kann man sich weiterentwickeln, um auf die neuen technischen Gegebenheiten einzugehen und diese aktiv zu nutzen? Ich glaube, dass man hier noch viel mehr Energie investieren müsste.

Wenn wir es geschafft haben, das CBA rechtlich abzusichern – das ist auch ein Ziel der Kampagne – wird sich ein Möglichkeitshorizont eröffnen, Radio neu zu denken. Wie sieht eine freie Radiostation in fünf bis zehn Jahren aus? Das interessiert mich am meisten.

Was ist eure Vorstellung, wie das in zehn Jahren aussehen wird?

TD: Ich glaube, dass wir in zehn Jahren strukturell anders aufgestellt sein müssen, um mithalten zu können. Wir werden mehr Leute sein und mehr Ressourcen haben müssen, um das Ding weiterentwickeln zu können. Wie die Plattform in fünf Jahren aussehen wird, weiß ich aber nicht. Ich hoffe, dass wir bis dorthin stark genug bleiben, um weiterhin an der Spitze der Entwicklung zu stehen.

IL: Ich hoffe und glaube, dass in den nächsten Jahren das Bewusstsein für den politischen Aspekt dieses Archivs stark zunehmen wird und dass sich die Sicht der Dinge auf die Plattform ändern wird – auch innerhalb der eigenen Community … Ich glaube auch, dass die Distributionsangebote wie die eigenen Websites der einzelnen freien Radios, stärker mit der Plattform zusammenwachsen werden.

TD: Der Bewusstseinswechsel in der Community ist auch die Frage eines Generationswechsels, der ansteht. In sehr vielen freien Radiostationen sitzen keine Digital Natives in den Führungspositionen und Leitgremien … Wenn das so wäre, würde die Diskussion um die Zukunft des freien Radios anders laufen! Ich hoffe wirklich, dass so ein Umschwung bald passiert. Weil sonst springen die jungen Leute ab.

IL: Das veränderte Medienverhalten ist schon erkennbar. In der Studie (Anmerkung: „Der Dritte Mediensektor in OÖ“) hat man auch gesehen, dass die freien Radios tendenziell ein älteres Publikum ansprechen. Es fehlt also der Zugang zu einer jüngeren Generation, die mit völlig anderen Ansätzen an die Sache herangeht. Es geht für die freien Radios um die Übersetzung des eigenen Auftrags in die Netzsphäre, wo es nicht mehr um den Zugang zum terrestrischen Rundfunk sondern um andere und neue Schwerpunkte geht.

TD: An dieser Stelle möchte ich das wunderbare Peter Kruse-Zitat einbringen: „Und bist du nicht willig, so brauch’ ich Geduld.“

IL: Ja, genau. „Steter Tropfen hölt den Stein“ lautet in dem Fall auch meine Strategie.

Links:

Eine ungekürzte Version des Interviews ist auf thomaskreiseder.com verfügbar.

CC-Lizenz für diesen Artikel: CC BY-NC-SA 3.0

,