Bergen International Festival

spaxels_02,

In London wurden die Spaxels für Werbung verwendet, eine sehr konkrete Vorgabe wurde vom Ars Electronica Futurelab umgesetzt. Doch genauso wie bei der voestalpine Klangwolke können die Quadcopter auch in einem künstlerischen Kontext fliegen. Wir haben mit Sven Beyer, dem künstlerischen Leiter von phase 7, einem freien KünstlerInnenkollektiv aus Berlin geredet, denn in Bergen/Norwegen findet am 22. und 23. Mai 2013 Murmuration statt, ein speziell für die Eröffnung des Festivals konzipiertes Multimedia-Stück. Was es damit auf sich hat, erzählt Sven im Interview.

Sven Beyer, phase 7

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Ars Electronica?

Sven Beyer: Ich war tatsächlich hier, als ihr bei der Klangwolke geflogen seid, lief das Ufer entlang bei einer Probe, dachte mir: “Wow, coole Lichtskulptur, wo sind denn die Seile?” und kam näher und sah dann, was tatsächlich los war. Ich fand die Idee sehr schön. Und auch das Produkt war ästhetisch überzeugend. Wir haben bei Phase 7 eine Affinität zu Technologie, und das war einerseits technisch etwas Neues, aber gleichzeitig auch etwas, das emotional berührt, obwohl es Technik ist.

Das finde ich immer sehr spannend, was Technologie mit Emotionen macht. Obwohl man ganz emotionslos sein müsste, weil ja eigentlich nur eine Maschine herumfliegt, aber es passiert dann trotzdem, dass man von diesen Pattern berührt wird. Pattern sind auch etwas, dass uns in unserer künstlerischen Arbeit immer beschäftigt, dass sie immer irgendwo auftauchen, Teil des Ganzen sind, man kann es das Göttliche oder Inspiration nennen, ich sehe da immer ganz viele Parallelen. Das geht los im Mikrokosmos, Biologie, Mikroben, oder noch kleiner, bei Teilchenmodellen. Wenn man weiterschaut, entdeckt man sie wieder in Wasserstrudeln, in unserem täglichen Leben, wenn Erde in der Wüste austrocknet. Ich war einmal im Hubble-Control-Room, und die Bilder dort haben mich wieder an Pattern erinnert. Das war eine Galaxie, oder mehrere Galaxien, die teilweise miteinander kollidieren, mir wurde fantastisches Bildmaterial zur Verfügung gestellt, das fand ich sehr spannend.

Diese Pattern sehe ich dann in so einer Wolke wieder, und das ist das Verrückte, dass man das immer wieder als schön bzw. künstlerisch empfindet, obwohl es womöglich gar nicht so ist, sondern von der Natur geschaffen. Das ist vielleicht das, was viele als göttlich empfinden, oder was man physikalisch auch so erklären könnte, dass man Teil des Ganzen ist, selber aus Wasser besteht und somit die Formationen, die sich im Wasser formen, auch so ergeben.

Man ist ja ein physikalisches Wesen, Musik ist aus der Physik und Obertonreihe entstanden, das ist ja keine Erfindung des Menschen, das ist so passiert. Komischerweise singen auch Vögel Noten, das meine ich mit Pattern.

Das kann man relativ weit anwenden, und das Verrückte ist, es löst etwas bei Menschen aus, und das war das, was mich fasziniert hat, an den Quadrocoptern. Das passt auch wunderbar für die Eröffnung in Bergen/Norwegen, weil es an einem großen See stattfindet, ich verspreche mir da auch eine schöne Spiegelung im Wasser.

Das heißt, Phase 7 hatte bereits eine Show und die Spaxels sind Teil von ihr?

Sven Beyer: Genau, es handelt sich um ein Opernmusikprojekt. Wir wurden ursprünglich gefragt, ob wir unser anderes Projekt, Neither, eine Oper mit Wellenfeldsynthese, mit 80 Lautsprechern, bei dem Festival spielen wollen, da hat man dann mitgekriegt, dass wir auch große Inszenierungen machen, für Eröffnungen etc., und wir wurden beauftragt, Ideen zu entwickeln. Da ich 2 Wochen vor diesem Gespräch in Linz bei der Show war, war es natürlich naheliegend, die Spaxels einzubauen. Sie sind Teil deiner dreiviertelstündigen Inszenierung, wo auch Musiker von uns auf der Bühne stehen, die Musik ist eine Neukomposition, geht in die elektronische Richtung, ist natürlich an Schwarm-Ideen angelehnt, es gibt eine große LED-Videokiste, es geht auch ein wenig in Richtung Klassik, es gibt lokale Tänzer aus Bergen, es gibt einen 200-köpfigen Kinder- und Jugendchor. Das alles gemeinsam ist die Inszenierung, und als Highlight fliegen die Quadcopter das Finale. Das wird also die Eröffnung der Bergen Festspiele, und das ist schon das Festival im Norden, 230 verschiedene Veranstaltungen über 2 Wochen.

Murmuration ist das Thema des Ganzen, so nennt es, wenn Stare Flugformationen fliegen. Diese Parallele zur Natur ist sehr spannend, was ich bis heute nicht wusste: Stare machen diese Formation, wenn ihnen ein Falke hinterher ist, es ist eine Art Verteidigungsstrategie. Jedenfalls ist das Thema auch Schwarmverhalten, das ist ein Thema, das ich überall sehe, dort, wo mans vermutet, Vögel, Fische, bei Insekten.

Und Menschen machen das selbe. Wenn ich mir eine breite Straße anschaue, in einer Großstadt, dann ist das alles relativ ähnlich. Darüber gibt es auch Forschungen, das hat nicht nur mit Bewegung zu tun, sondern auch mit sozialen Netzwerken. Wenn man die statistisch anschaut, ist das ein klassisches Schwarmverhalten, das geht los mit Superspreadern, wie sie in der Medizin genannt werden, das sind Initialpunkte, zum Beispiel ein Arzt, der nicht weiß, dass er 100 Leute ansteckt, das selbe gibt es in sozialen Netzwerken.

Die Quadcopter und ihr Flugverhalten sind durchaus auch eine inhaltliche Inspiration?

Sven Beyer: Genau, da gibt es viele Parallelen. Unabhängig davon ist meist Technik ein Abbild der Natur.

Was wird in Bergen alles an Technologie zum Einsatz kommen?

Sven Beyer: Es gibt zunächst eine ganze Musikerbande, 7 Leute sind auf der Bühne, einer von ihnen ist ein Live-Videokünstler. Wir haben eine Laser-Harfe gebaut, die wird zum ersten Mal zum Einsatz kommen, und wir wollen, dass ein Quadcopter die Laser-Harfe spielt.

Wie kann man sich eine Laser-Harfe vorstellen?

Sven Beyer: Das ist ein Fächer aus Laserstrahlen, Jean-Michel Jarre hat das schon mal gemacht, die meisten waren allerdings lediglich Tonträger, wir haben ein Kamerasystem in Einsatz, sodass man die Harfe als Midi-Controller verwenden kann. Dort, wo eine Hand oder ein Quadcopter den Laserstrahl trifft, entsteht ein Lichtpunkt, der erfasst wird.

Ein Markenzeichen von Phase 7 ist der interaktive Tanz, bei dem Asus-Kameras zum Einsatz kommen, quasi die Kinect-Pendants, wir tracken einen kleinen Bereich, in dem ein Tänzer sich bewegt und Partikelsysteme beeinflussen, wo wieder das Thema Schwarm eine Rolle spielt. Wir wollen verschiedenste Assoziationsketten ermöglichen, es geht über Menschen, über Autos, natürlich auch Natur, und dann gibt es auch etwas Herzzerreissendes mit dem Kinderchor. Das ist fürs nordische Gemüt auf jeden Fall nah an der Träne. Auch das Finale mit den Quadcoptern ist sehr erhaben, wird zum Schluss aber mit Dubstepbeats gemischt.

Das Publikum ist ja sehr breit gefächert, von jung bis alt, und es geht hier auch darum, der Bevölkerung von Bergen etwas zu schenken, ähnlich wie hier in Linz mit der Klangwolke. Deswegen wollten wir auch die lokale Bevölkerung integrieren, zum Beispiel mit den Kindern und Jugendlichen, die mitarbeiten. Die Qualität der Chöre ist übrigens beeindruckend, hier machen viele noch Hausmusik, es gibt eine musikalische Grundbildung in den Familien, wir haben schon mal eine Inszenierung mit einem tausendköpfigen Chor in Stavanga gemacht, das war sehr erstaunlich, auf welchem Level sie gesungen haben. Auch mit sehr komplizierter Rhythmik ist der Chor zurechtgekommen, und aus dieser positiven Erfahrung heraus haben wir uns entschieden, jetzt wieder mit Laiensängern zu arbeiten.

Mit den Quadcoptern wollen wir quasi Alter Egos der 7 Musiker auf der Bühne darstellen. 7 Spaxel fliegen direkt über den Köpfen der Musiker, erstmals in einer Art Sinus-Welle, das ganze Stück beginnt mit einem Quadcopter, nicht mit einem Menschen, der ist eine Art Hauptdarsteller. Er wird zum Leben erweckt, das Futurelab erweitert ihn noch mit ein paar LEDs, über Sounddesign gibt es Geräusche, als ob er aufwachen würde, dann ist er sozusagen am Leben.

Als nächster Schritt folgen die Musiker, die Quadcopter über den Köpfen haben, so dass man den Gedanken weiterspinnt, Mensch und Maschine, und als Höhepunkt folgt der Formationsflug. Dass das alles auch mit der Musik verschränkt wird, ist klar, wir planen im Moment eine Passage mit ca. 8 Minuten, das hat freilich auch mit den Akkulaufzeiten zu tun, aber ich bin der Meinung, dass man einen Effekt nicht ausufern lassen sollte, da gibt es ein Zitat von Tschechov: “Kürze ist die Schwester von Talent”, da ist ganz viel dran. Wenn man sich viele Theatervorstellungen anschaut, die einfach zu lang geraten sind, ganz speziell bei Effekten sollte man sich immer überlegen, ob man etwas wiederholen muss, oder ob mans auf den Punkt bringt.

Mit der Formation endet das Stück, wir lassens als Frage stehen, es geht uns nicht um eine Schlussfolgerung, wir schließen tatsächlich mit Schönheit. Das wird sicher fantastisch, dicker Chor, Orchesterklänge, Live-Musiker auf der Bühne, die abrocken, dadurch wirds ein ziemlich emotionales Moment.

Aus Norwegen wird es einen umfangreichen Reisebericht geben, ebenso Video- und Fotomaterial, einfach wieder am Ars Electronica Blog vorbeischauen, wenn man den Weg in den Norden nicht antreten kann.

Weiterführende Links

Bergen International Festival
www.phase7.de
ars.electronica.art/quadcopter

, ,