TOTAL RECALL – Il(l) Machine – Ars Campus Israel

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Il(l) Machine ist die Campusausstellung von TOTAL RECALL – The Evolution of Memory. Dabei handelt es sich um die erste umfassende Zusammenarbeit verschiedener kunst- und technologieorientierten Institute und Universitäten aus Israel, die die aktuellen Entwicklungen und Strömungen in einem der kulturell reichsten Länder der zusammenfasst.

Wir leben in einer Zeit, in der neue digitale Technologien, die auf automatisierten Abläufen und Agenten basieren, de facto Mittler zwischen uns und der Welt sind. Sie sind daher nicht nur als Zeichen zu sehen, die den Horizont der Zukunft abstecken, sondern markieren den Beginn einer neuen phänomenologischen Phase der menschlichen Existenz. Viele dieser Technologien sind mittlerweile ausgereift und ihre praktischen Anwendungen Teil unseres Alltags, weshalb zunehmend Unbehagen bezüglich ihres Einflusses auf unsere emotionale Verfassung und die Konstruktion unserer Identitäten – als Individuen, aber auch als Teil der Gemeinschaft – aufkommt. IL(L) Machine thematisiert und analysiert diese neuen Relationen zwischen den automatisierten Abläufen der Maschinen und setzt sie in direkten Bezug zum realen Leben. Die präsentierten Arbeiten verhandeln die Automatisierung entweder in Form von Entitäten, die sich physisch in der Welt manifestieren, oder als auf Algorithmen basierende Aktionen, die Daten in virtuellen Räumen und Zeitabläufen manipulieren und die Wirklichkeit, die wir erfahren, tatsächlich neu konstruieren.


Travis – Robotic Speaker Dock and Listening Companion von Guy Hoffman, Gil Weinberg und Roberto Aimi, ist ein Roboter, der dafür entwickelt wurde, Musikgenuss zu teilen, selbst wenn man allein Musik hört. Er spielt die angeschlossene Musik nicht nur ab, sondern interagiert mit dem Hörer und der Hörerin.

Schwerpunkt der Ausstellung sind zwei wesentliche Perspektiven auf die Automationsmechanismen und die Prozesse, wie man sich ihnen emotional und ideologisch annähert. Der erste Ansatz steht in Kontext mit der Realisierung der Macht von Computeralgorithmen in der Datenanalyse, die analog zur Kartierung betrachtet werden kann. An Deleuzes und Guattaris Unterscheidung zwischen Karte (mapping) und Kopie (tracing) anknüpfend, lässt sich sagen, dass die neuen rechnergestützten Technologien es ermöglichen, „bisher ungesehene und nicht vorstellbare Realitäten zu entdecken“, und daher potenzielle Territorien (Corner, James: „The Agency of Mapping: Speculation, Critique and Invention“, in Denis Cosgrove (Hg.), Mappings, Reaktion Books, London, 1999 [S. 213]) eröffnen. Durch diese potenziellen Territorien können Erkenntnisse über psychologische, gesellschaftliche und politische Phänomene gewonnen werden, die sowohl auf die historische als auch auf die gegenwärtige Wirklichkeit neues Licht werfen und ermöglichen, unsere Welt neu zu dechiffrieren.


Für Sound Map 2013 von Ilan Green wurde die akustische Umgebung der Altstadt Jerusalems aufgenommen und wird immer wieder neu reproduziert.

Der zweite Ansatz bezieht sich auf den von Lev Manovich verwendeten Begriff „Transcoding“, der besagt, dass die Computerisierung der Kultur die Projektion der spezifischen Ontologie, Epistemologie und Pragmatiken der Maschine auf den kulturellen Raum impliziert (Manovich, Lev: The Language of New Media, The MIT P, Cambridge, Mass., 2001. [S. 64–65]). Maschinen sind demnach nicht einfach nur Hilfsmittel, sondern konstruieren auch unsere kulturelle Realität. Insofern können sie die Herausbildung von neuen Machtverhältnissen und Kontrollstrukturen in neu entstehenden räumlichen und zeitlichen Dimensionen provozieren. Dies bezieht sich ebenso auf generative wie auf repräsentative Mechanismen (Siehe Bruno Latours Analysen des in der Renaissance entwickelten Verfahrens der Zentralperspektive, in denen er davon ausgeht, dass sich die Beziehungen zwischen Objekten und den Instrumenten ihrer Darstellung nicht auf die Repräsentation der Realität beschränken, sondern auch zur Kontrolle der Realität dienen können. Latour, Bruno: „Visualization and Cognition: Thinking with Eyes and Hands“, in Knowledge and Society: Studies in the Sociology of Culture Past and Present, Band 6, 1986. [S. 1–40])


Poetic Machine – 3d Ceramic Printing von Or Galor zeigt neue Möglichkeiten des Töpferhandwerks, reflektiert über die Wichtigkeit von Herstellungsmethoden und zeigt, was alles mit modernen Gerätschaften auch in traditionellen Bereichen möglich ist.

Die Ausstellung IL(L) Machine präsentiert eine neue Generation von Künstlern, die aus Kunstakademien und Forschungseinrichtungen kommen und die Beziehungen zur Technologie, die als Manifestation einer neuen Epoche verstanden werden, einer kritischen Prüfung unterziehen. In einem Land, das durch sehr aktive und innovative Hightech-Industrie, eine historisch belastete Identität und gravierende politische Konflikte geprägt ist, bringt diese kritische Auseinandersetzung mit dem Einfluss neuer Technologien auf unsere Gesellschaft unterschiedliche Perspektiven hervor. Diese Ausstellung spiegelt den aktuellen Konflikt israelischer Kunst, der daher rührt, dass einerseits die Notwendigkeit besteht, die komplexen lokalen Themen aufzugreifen, und andererseits das Bestreben vorherrscht, eine Rolle im aktuellen globalen Diskurs zu spielen.

Lila Chitayat – Initiatorin und Creative Director
Yael Eylat Van-Essen – Curator
Oren Zukerman – Strategische und künstlerische Beratung
Sayfan Borghini – Wissenschaftliche Beratung und kuratorische Assistenz
Eyal Vexler – Artistic Producer

Aus dem Englischen von Martina Bauer.

Die Ausstellung ist von 5. bis 9. September im Rahmen von TOTAL RECALL – The Evolution of Memory in der Kunstuni Linz zu sehen und wird durch diverse Performances im Ausstellungsraum ergänzt.