Wenn Satelliten auf unsere Erde blicken

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Bildcredit: MetOp, ESA

Im Interview spricht Othmar Coser vom Österreichischen Weltraum Forum über den Einsatz von Satelliten bei Naturkatastrophen wie sie zur Zeit in den Philippinen stattfinden, aber auch darüber, wie uns Menschen die Daten aus dem Weltall sonst noch nützlich sein können. Am DO, 14.11.2013, 20:00, ist er persönlich zu Gast bei Deep Space LIVE im Ars Electronica Center und stellt den MetOp-Satelliten mit spektakulären Bildern genauer vor.

Während wir das Interview führen, ist der Großteil des Erdbeobachtungssatelliten GOCE verglüht und die letzten Teile versinken gerade in den Ozeanen der Erde. Diesen haben Sie bereits im Oktober 2013 im Rahmen von Deep Space LIVE vorgestellt und jetzt hat er sein Betriebsende erreicht…

Es waren die letzten Züge des Satelliten GOCE, weil der Treibstoff ganz lapidar zu Ende gegangen ist. Satelliten werden in der Regel für einen gewissen Zeitraum ausgerichtet: Einerseits liefert er in dieser Zeit genau die Daten, die ich für ein Projekt benötige,  andererseits ist es aber auch gewährleistet, dass der Satellit in dieser Zeitspanne zumindest prognostiziert hält – aufgrund der ganzen widrigen Umstände und Einflüsse , die auf den Satelliten in seiner Umlaufbahn einwirken. In der Regel ist es dann so, dass die Satelliten eigentlich länger als die Missionsdauer in Betrieb sind und natürlich darüber hinaus genutzt werden – es wäre dumm, ihn schon vorher abzuschalten. Envisat, der größte Umweltsatellit der Welt mit seinen zehn Instrumenten, war beispielsweise auch für eine Dauer von fünf Jahren vorgesehen.

2002 wurde er gestartet und konnte bis 2012 weiterbetrieben werden, weil er sich so gut bewährt hat. Leider ist hier die Kommunikationseinheit zwischen Bodenstation und Satellit im April 2012 ausgefallen – er fliegt immer noch, aber die Daten kommen nicht mehr zur Erde. Das passiert. Aber der Satellit konnte die doppelte Zeit als plant genutzt werden. Das ist bei dem Satelliten GOCE so, aber auch bei den MetOp-Satelliten so, die ich bei Deep Space LIVE vorstellen werde. Dabei sind drei sequentiell gestartete Satelliten geplant sind. MetOp-B wird also nicht automatisch seinen Vorgänger MetOp-A ablösen. Man nützt diese Infrastruktur, so lange es geht, weil es natürlich auch um eine Menge Geld geht.

Bildcredit: GOCE, ESA

Vier Jahre lang haben die Menschen mit dem Satelliten GOCE eine Unmenge an Daten gesammelt, um neue Fakten über die Gravitation der Erde herauszufinden. Wobei helfen uns beispielsweise die Daten über die Gravitation der Erde?

Generell stehen die Rohdaten der ESA für jeden, der Interesse hat – für wissenschaftliche Einrichtungen aber auch Privatpersonen – kostenlos zur Verfügung. Das ist im Sinn der europäischen Weltraumbehörde ESA, wie es mir vermittelt wurde, als ich im Jahr 2010 das Institut ESRIN, das Zentrum für Erdbeobachtung der ESA, im italienischen Frascati südlich von Rom besucht habe. Natürlich braucht man dann noch die Tools, um diese riesige Datenmenge weiterverwenden zu können. EUMETSAT, eine Tochterfirma der ESA, übernimmt diese Dienstleistung, die dann schon in Rechnung gestellt wird, aber der Erhalt der Daten ist grundsätzlich kostenlos. Dann ist es wichtig zu wissen, welchen Bereich ich abdecken möchte. So können zum Beispiel Berechnungen der Statik im Bau dadurch sehr vereinfacht werden, wenn man dank Satellitendaten genaue Informationen über die Erdoberfläche selber und die dort herrschende Gravitation besitzt.

Man versucht auch, in die Tiefe unseres Planeten mit diesen Daten zu blicken, ohne irgendwelche Bohrungen durchführen zu müssen. Wir können ja auch technisch nicht mehrere Tausende Kilometer tief in die Erde bohren. Damit erkennen wir das Ausmaß der Verschiebungen der Kontinentalplatten und in welchem Zeitraum diese stattfinden. So können wir Hochrechnungen erstellen, wenn einmal Geschwindigkeiten bekannt sind. Die Prognosen, die wir derzeit zur Verfügung haben, wirken ja alle wie aus einer Kristallkugel – und genau diese Daten möchte man so verdichten, damit dann Ereignisse wirklich so prognostiziert werden können, dass man schon vorher agieren und nicht erst hintennach reagieren kann wie wir es bisher tun.

Wenn wir wie in diesen Tagen auf den verheerenden Wirbelsturm „Haiyan“ blicken, der eine Schneise der Verwüstung über die Philippinen gezogen hat, Tausende Menschenopfer forderte und Hunderttausende auf einen Schlag obdachlos gemacht hat: Was können wir anhand von Erdbeobachtungssatelliten wie dem MetOp, den Sie diesen Donnerstag, 14.11.2013, bei Deep Space LIVE genauer vorstellen, über diese Wetterextreme lernen?

Langfristig können wir mit den MetOp-Satelliten einiges lernen, wie ich im Vortrag genauer erläutern werde. Man muss das einmal so sehen: Es gibt nicht so viele verschiedene Parameter, die wir in unserer Atmosphäre messen können. Wenn es um das Wetter geht, sind für uns Temperatur, Windgeschwindigkeit, Windrichtung und dergleichen interessant – und das eben je nach Höhe. Satelliten werden die herkömmliche Meteorologie nicht ersetzen, denn nach wie vor betreiben wir unsere Wetterstationen, starten unseren Wetterballon, und so weiter. Mit den Daten der Satelliten können wir ein globales Modell erstellen, das sich auf aktuelle Satellitendaten stützt, und auf das Meteorologen zusätzlich zugreifen können. Was man misst, sind Spurengase wie Methan oder Ozon. Daraus kann man auf Dauer gesehen Klimamonitoring machen.

Man erkennt so beispielsweise, das werde ich auch zeigen, anhand der Daten des Satelliten Envisat, rein an der Messung von Stickstoffdioxiden, die überall bei einer künstlichen Verbrennung entstehen, aus dem Weltraum sämtliche Hauptstädte in Europa. Man sieht die Schifffahrtroute anhand des Ausstoßes durch die Kamine der Schiffe. Auf der stärkst befahrensten Autobahn in Deutschland, der A8, sieht man beispielsweise bei München oder Stuttgart beinahe jeden einzelnen Auspuff, der da fährt. Und daraus kann man dann auch hochrechnen. Man sieht auch sehr schön die Brandherde aus dem Weltraum – aufgrund der jährlichen Auswertungen kann man sagen, dass es weltweit stündlich irgendwo auf der Erde flächenmäßig große Brände gibt. Diese Brände korrelieren wieder mit den CO2-Emissionen – das kann man alles gut verfolgen. Auf diese Daten aufbauend, auf mehrere Jahre hindurch betrachtet, und das macht man mit Envisat seit 2002, kann man globale Modelle erstellen, die dann Tendenzen erklären. Ob man die dann richtig deutet und ob man die verstehen will… das macht dann jeder wie er will und möchte – das ist dann das Problem dabei.

Bildcredit: MetOp, ESA

So helfen die erkenntnisreichsten Werte über unser Erdklima lange nichts, wenn weltweit keine politischen Maßnahmen gegen den Klimawandel getroffen werden und den Staaten das Geld beispielsweise wegen Finanzkrisen fehlt. Braucht es Ihrer Meinung nach die regelmäßig stattfindenden UNO-Klimakonferenzen, so wie sie seit dieser Woche mit der COP19 in Warschau über die Bühne geht?

Auch wenn man zumindest nicht momentan etwas merkt, glaube ich schon, dass es nicht umsonst ist. Ich glaube, man sollte sich schon austauschen darüber. Und in gewissen Graden merkt man ja auch eine Verbesserung. Es funktioniert halt bei uns in Österreich nicht – wir jammern ja auf hohem Niveau über alle anderen. Wenn man sich gerade die Einhaltung der Kyoto-Ziele ansieht, sind wir alles andere als ein Musterschüler im Vergleich zu anderen Staaten. Natürlich kann man Österreich von der Fläche und der Einwohnerzahl nicht mit China vergleichen, aber mit Ländern auf gleicher Höhe sind wir Schlusslicht mit der Einhaltung unserer Kyoto-Ziele. Aber es ist wichtig, dass man das Gespräch fortführt, denn man bewegt doch etwas.

Gerade für den Deep Space LIVE habe ich mir noch einmal angeschaut, welche Animationen und Visualisierungen es mittlerweile gibt. So ist die „International Charter on Space and Major Disasters“ – das ein Zusammenschluss von 15 Satelliten-betreibenden Organisationen, eigentlich dazu da, um im Falle einer großen Katastrophe innerhalb kürzester Zeit aktuelle Satellitenfotos bereitzustellen – also bildgebendes Material, und da reden wir von höchstens bis zu fünf Stunden nach Eintritt des Schadenereignisses. Gleichzeitig werden auch Auswertungen gemacht, für die Einsatzkräfte vor Ort, damit sie von oben sehen können, wo Infrastruktur noch vorhanden ist und wo nicht. Wenn ich an Satellitenbilder mit einer Auflösung von 50 cm denke, können diese auf jeden Fall bei Überschwemmungen zum Einsatz kommen, um auf Dächern sitzende Menschen zu erkennen und die Rettungskräfte damit zu unterstützen. Gerade in dieser Jahreszeit haben wir vier bis fünf gewaltige Hurrikans – das kommt dann schon auch zur Sprache.

Wir merken es auch ja hier in Österreich. Ich kann mich an solche Stürme und Windgeschwindigkeiten wie heute eigentlich nicht erinnern. Wie oft es in letzter Zeit alleine Dächer durch Sturmböen weggerissen hat und vom Hochwasser brauch ich eh nicht zu reden. Diese hundertjährigen Ereignisse kommen ja jetzt eigenartigerweise jetzt alle vier Jahre. Bei diesen Satellitenmessungen geht es darum, ein Modell aufzubauen, um das Agieren zu ermöglichen. Wir sind ja so technikhörig geworden in den letzten Jahrzehnten, aber wir haben noch nicht begriffen, dass wir mit der Technik nicht die Natur beherrschen können. Man braucht nur schauen, wie viel Geld wir in den 1960er und 1970er Jahren mit den Begradigungen von Flüssen aufgebracht haben – jetzt hat es ein Hochwasser im Jahr 2002 gebraucht, um darauf zu kommen, dass wir wieder sehr viel Geld benötigen, um wieder Mäander und die Retentionsbecken einzuführen. Außerdem müssen wir endlich verstehen, dass wir Österreicher mit unserem globalen Fußabdruck sämtliche Rohstoffe mit Ausnahme der Nahrungsmittel und der Energie alles importieren müssen. Jeder Österreicher hat inzwischen schon einen ökologischen Fußabdruck von 5,5 Fußabdrücken. Aber solche internationalen Foren sind sinnvoll, sie rütteln auf, aber es braucht Zeit. Es ist eben kein Thema, das immer begeistert. Hier ist die Politik sicher gefragt, wie wir mit den Informationen umgehen. Natürlich darf man damit keine Panik erzeugen und es kann nicht sein, dass wir uns damit zurück ins finstere Mittelalter katapultieren.

Glauben Sie, dass uns Menschen das Weitdenken fehlt?

Da greife ich immer gerne auf die Aussage unseres Polizeipsychologen Thomas Müller zurück – er sagt, und das gilt für jeden Bereich in dem der Mensch sich so bewegt: Der Mensch kann mittelfristig nicht denken und schon gar nicht langfristig. Das ist sein größtes Manko. Egal, was man tut. Er lebt im Jetzt und soweit denkt er auch und handelt er auch. Und deswegen wird sich auch so schnell nichts ändern. Ich glaube, wir werden sicher in 20 Jahren die gleichen Probleme haben, wir werden sie in 30 Jahren haben. Die Tragik ist nur, dass die Natur zeitversetzt reagiert. Das, was wir jetzt erleben, haben wir in den 1970er und 1980er Jahren verbrochen. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass wir nicht mehr Ski fahren. Solange es die Temperaturen noch ermöglichen, werden wir die Pisten künstlich beschneien, aber mit dem jetzigen Wissen über die Erwärmung der Erde würde ich nicht in ein lokales Skigebiet investieren.

Bildcredit: ESA

Sie arbeiten ehrenamtlich im Österreichischen Weltraum Forum als Projektleiter für Erdbeobachtungsvorträge – Weltraum und Österreich, wie passt das für Sie zusammen?

Das ÖWF wurde vom Obmann Dr. Gernot Grömer gegründet. Er hat das Netzwerk als Hobby neben seinem Physikstudium aufgebaut und Gleichgesinnte gefunden. Viele Kollegen im Vorstand sind teilweise bei der ESA beschäftigt oder waren es lange Zeit. Unser Schriftführer war bei der ESO beschäftigt, eine Tochtergesellschaft, die das Hubble-Teleskop dirigiert, und er hat dort die Lizenzen vergeben. Unser Stellvertreter Mag. Alexander Soucek war zuerst bei ESRIN in Frascati bei der ESA beschäftigt, wo sämtliche Daten der ESA-Satelliten zusammenlaufen und an die Benutzer verteilt werden. Inzwischen ist er in Paris in der Zentrale der ESA als Jurist tätig – er hat ein über tausend Seiten dickes Kompendium über Weltraumrecht verfasst. Wir haben einen Raketentechniker, der in Belgien bei einer ESA-Behörde arbeitet.

Begonnen hat alles damit, dass mich ein Kollege gefragt hat, ob ich nicht für Kinder im Stift St. Florian eine Raumfahrtausstellung mitorganisieren möchte. So bin ich hinzugekommen. Hier wurde die Idee geboren, gerade für SchülerInnen zum Thema Erdbeobachtungen und Umweltauswirkungen Vorträge zu kreieren, die auch von der ESA und vom Landesrat Anschober gesponsert wurden. Über meinen Beruf als Bereichsleiter für Umweltkriminalität beim Landeskriminalamt in Oberösterreich ist dann schließlich die Auswahl auf mich gefallen. Wir haben das Projekt „Eye in the Sky“ entwickelt und bieten als Verein Vorträge für Schüler an, haben mehrere Abendveranstaltungen in Oberösterreich organisiert und unter anderem auch Fortbildungen für Geografielehrer bei der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz. So ist es gewachsen. Nun bei Deep Space LIVE überlegt man sich, welchen Satelliten man denn gerne näher vorstellen möchte, denn es ist ja nicht jeder Satellit interessant und hat bildgebende Instrumente installiert. Meine Vorträge richten sich an ein breites Publikum – dass ein Meteorologe, der diesen Fachbereich studiert hat, nicht ganz zufrieden sein wird, muss klar sein. Die Besucher können sich auf jeden Fall auf spektakuläre Satellitenbilder und die Erde aus einem anderen Blickwinkel sehen.

Sie sind schon beinahe zwanzig Jahre Bereichsleiter für Umweltkriminalität beim Landeskriminalamt in Oberösterreich. Setzen Sie bei Ihren Ermittlungen auch Satellitendaten ein?

Nein, eigentlich nicht direkt, aber sie sind sicher vorhanden. Ein Beispiel wäre, wenn es um die Luftverschmutzung gehen würde, die auch strafrechtlich verfolgt werden könnte… Die Tragik ist, dass es darauf ankommt, wer die Auswertung der Daten bezahlt. Das ist eine Geldfrage. Was wir aber immer wieder machen, wir schauen mit den bildgebenden Systemen immer wieder, wie hat es früher ausgesehen und wie sieht es jetzt aus. Wobei uns da eigentlich das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen sehr hilft, weil die mit ihren laufenden Überflügen und dem DORIS-System uns zur Seite stehen, wenn wir wissen wollen, wie sich eine Landfläche verändert. Das ist dann interessant, wenn es zum Beispiel um Bodenverunreinigungen geht oder im Ackerbau, um zu sehen, wie sich Verunreinigungen in der Pflanzengestaltung auswirken. Deswegen war das Projekt „Eye in the Sky“ auch für mich interessant, da das ÖWF damals einen Wettbewerb für Schüler ausgeschrieben hatte und ich die Gewinnerin auf eine Reise ins ESRIN-Institut nach Frascati begleitete, um zu sehen, ob man solche Satellitendaten auch für kriminalpolizeiliche Zwecke verwenden kann.

Es würde sicher funktionieren. Man muss zuerst genau die Koordinaten wissen – das ist kein Problem – und dann müsste man schauen, von welchem Überflug und welchem Zeitraum wir reden. Ein Satellit braucht für eine Umrundung der Erde in dieser Höhe rund 100 Minuten – innerhalb von 24 Stunden macht er das 14 Mal und bis zu 5 oder 9 Tage. Und je nachdem wie breit die Abtastrate ist, kommt dieser erst dann wieder über die gleiche Stelle. Das heißt, wenn es um längerfristige Verhaltensmuster gehen würde, um zum Beispiel die Veränderung des Waldbestands, des Bodens oder der Gewässer zu messen, ist das durchaus sinnvoll. Wenn es aber darum geht, kurzfristig zu messen, müsste man schauen, welcher Satellit gerade am Punkt vorbeikommt. Das ist aber auch schwierig, wenn es zum Beispiel ein japanischer Satellit ist. Grundsätzlich halten wir uns aber noch an die herkömmlichen Ermittlungsmethoden.

Am DO 14.11.2013, 20:00, stellt Othmar Coser bei Deep Space LIVE im Ars Electronica Center den Satelliten MetOp genauer vor und zeigt, dass wir damit einige Informationen über den Klimawandel erhalten können. Am DO 23.1.2014, 20:00, gibt Othmar Coser bei einem weiteren Deep Space LIVE einen Einblick in die Technologie des Satelliten SMOS, der erstmals die Bodenfeuchte und den Salzgehalt der Ozeane aus dem Weltraum beobachten kann.

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