TIME OUT: Medienkunst aus Linz

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TIME OUT„, so lautet der Titel der neuen Ausstellungsreihe im Ars Electronica Center, die am DO 30.1.2014, 19:00, eröffnet wird, und ab nun ausgewählte und ausgezeichnete Arbeiten der Studiengangs „Zeitbasierte und Interaktive Medien“ der Kunstuniversität Linz präsentiert. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Funk, Leiter des von ihm konzipierten Bachelorstudiums, stellt das Studium vor und erzählt bei einer Tasse Tee, was wir ab 30. Jänner 2014 im Ars Electronica Center erwarten können.

Was kann man sich unter dem Titel „Zeitbasierte und Interaktive Medien“ vorstellen?

Der Titel „Zeitbasierte und Interaktive Medien“ ist ein sehr sperriger Titel und niemand kann sich im Geringsten darunter vorstellen, was dahinter steckt. Meine Kurzerklärung ist immer die: Zeitbasierte Medien sind für uns die Medien, wo Zeit ein wesentliches gestalterisches Element ist. Natürlich gehört dazu der Videobereich, aber auch Audio – immer wenn es um Gestaltung von zeitlichen Abfolgen geht. Es gehören auch Installationen und Performances dazu. Und natürlich setzen wir in unserer Studienrichtung den Schwerpunkt auf das Digitale. Das aber nicht ausschließlich. (Bestellt grünen Tee) Wir versuchen durchaus eine hybride Mischung aus Analog und Digital zu machen. Die Bezeichnung „zeitbasiert“ war für uns deshalb wichtig, um nicht zu sehr den Fokus auf den Bereich des Videos zu legen. Viele kommen in der Erwartung, einer Filmklasse beitreten zu können. Das ist es nicht. Hier sage ich immer, da gibt es Wien, da gibt es München. Und dann kommt noch der interaktive Bereich dazu, wo es darum geht, dass die BenutzerInnen einen Einfluss haben auf den zeitlichen Ablauf des Werks. Und damit sind wir dann ganz klar in den Bereichen Interface- und Schnittstellendesign und Interaktion. Und das macht die ganze Bandbreite aus – bis hin zu den Technologien, die heute so populär sind, mit ein bisschen Elektronik, Sensorik, Aktuatoren, um so wirklich handfeste Interfaces zu entwickeln. Das ist so die Bandbreite.

Wir sagen unseren BewerberInnen immer: Man muss gern eine Videokamera in die Hand nehmen, man muss aber auch Lust haben, zu programmieren, ein wenig zu löten. Das ist ein sehr breit aufgestelltes Studium. Am Ende dieses Bachelorstudiums sollte man dann für sich selbst wissen, was die eigenen Schwerpunkte sind und in welche Richtung man sich noch weiterentwickeln will. Es ist ein Findungsprozess, der wesentlich in diesem Studium stattfinden soll. Wichtig ist immer die Dreiheit: die theoretische Auseinandersetzung mit aktuellen Kunstwerken aus diesem Bereich – aber nicht nur. Dann die medientechnische Auseinandersetzung, wo man die Grundlagen von Beginn an mitbekommt. Und das soll sich als drittes Standbein des Studiums im eigenen kreativen gestalterischen Tun widerspiegeln. Wir haben ab dem dritten Semester pro Semester ein größeres Projekt. Dabei verfolgen wir die Linie, dass wir keine Generalthemen vorgeben, sondern die Studierenden müssen selber ihre Themen finden. Das ist schon Teil des Prozesses. Für mich ist das ein wichtiger Unterschied gegenüber einer Fachhochschule. An einer Fachhochschule ist die technische Ausrichtung sicher stärker, bei uns steht mehr der Freiraum im Vordergrund, eigene Ideen zu entwickeln, und der Versuch, diese irgendwie auf den Boden zu bringen. Ich habe das Gefühl, es funktioniert immer besser. Das Studium gibt es seit 2006 und jetzt haben wir sechs Jahrgänge hinter uns und es ist ein Stand erreicht, wo wir die Vision von damals betrachten und ein Redesign des Studiums beginnt.

Momentan ist der Studienplan sehr dicht. Wir überlegen, wo wir eine Entschlackung machen können. Aber das ist ein Problem jedes Bachelorstudiums in Österreich, wo man am Anfang sehr viel in diese Studienform gepresst hat, weil der Anspruch damals war, mit einem abgeschlossenen Bachelorstudium in der Wirtschaft Fuß fassen zu können. De facto ist es so, dass die wenigsten bei uns nach drei Jahren abschließen, aber es ist auch in dieser Zeit machbar. Ich bin durchaus nicht unglücklich darüber, denn im angehängten vierten Jahr sind nur mehr wenige Verpflichtungen zu erfüllen und es ist ein großer Freiraum, den die Studierenden dann nutzen, um in bestimmte Bereiche tiefer einzusteigen – und viele arbeiten auch daneben, um das Studium zu finanzieren.

Das ist der Versuch, diesen sperrigen Titel zu erklären. Der Vorteil ist, dass sich diejenigen, die zu uns zur Zulassungsprüfung kommen, mit dem Titel und den dahinterstehenden Inhalten schon auseinandergesetzt haben. Der Titel alleine sagt nichts. Und insofern bin ich jetzt gar nicht mehr so unglücklich über das Sperrige. Wir hatten bis jetzt immer 30 bis 40 Bewerbungen für die Zulassungsprüfung und ungefähr ein Drittel wird aufgenommen. Für den Studienbeginn im Oktober 2014 haben wir zwei Zulassungstermine im Februar und Ende Juni. Die Anmeldefrist für Februar endet am 14. Februar 2014. (Nach einer Viertelstunde scherzt Funk: „Ich glaube, der Tee zieht schon länger als drei Minuten“)

Wie ist die Kooperation zwischen Ars Electronica und der Kunstuniversität Linz entstanden?

Konkret mit unserer Studienrichtung ist das jetzt die erste größere Kooperation. Mit der Kunstuniversität und vor allem mit dem Master „Interface Cultures“ gibt es schon sehr lange eine Kooperation mit der Ars Electronica. Auf der informellen Ebene ist ein sehr enger Kontakt da,  ich habe selbst seit den 1990er Jahren einen sehr engen Kontakt zur Ars Electronica. Der Auslöser zur Zusammenarbeit bei diesem Projekt war die Ausstellung „IN TIME“, die wir 2012 von der Studienrichtung am Linzer Hauptplatz durchgeführt haben. Die Abkürzung unserer Studienrichtung ist ja „TIME“ (Time-based and Interactive Media). Da habe ich den künstlerischen Leiter der Ars Electronica, Gerfried Stocker, eingeladen und wirklich zu meiner Freude gemerkt, das hat ihm gefallen. In diesem Meeting in der Ausstellung sind die ersten Ideen entstanden, wie könnte man ein Forum schaffen für gute Studierende, dass sie auch Arbeiten im Ars Electronica Center zeigen können. Das war der Ausgangspunkt. Wir haben dann mehrere Linien festgelegt, wie wir die Verbindung zwischen dem Ars Electronica Center und unserer Studienrichtung machen können. Eine war, dass ich in die u19-Jury soll – das war dann im Mai 2013. Das war für mich auch sehr wichtig, denn dadurch haben sich wieder neue Kontakte eröffnet.

Und jetzt die Reihe, die wir starten, mit der Intention für uns, dass Studierende ihre Arbeiten zeigen können. Ich habe den Eindruck gehabt, dass das auch für das Ars Electronica Center interessant ist und genau in das Konzept passt. Der Studiengang „Interface Cultures“ hat seine fixe Ausstellung immer während des Ars Electronica Festival, wo die große Welt darauf schaut. Für mich war es stärker der Ansatz, laufend Arbeiten präsentieren zu können, wenn viele Schulklassen durch das Ars Electronica Center gehen und Arbeiten sehen, die ihnen gefallen. Dann werden sie vielleicht auf die Studienrichtung aufmerksam und sehen, dass man in dieser Richtung bereits etwas in Linz studieren kann. Darum bin ich über die Regelmäßigkeit sehr dankbar. Am Ende eines Studienjahres werden die besten Arbeiten ausgewählt. Wir machen im Jahr 2014 drei Termine – im Jänner, im Mai und dann im Herbst. Hier sollen dann jeweils zwei bis drei Arbeiten gezeigt werden. Am Anfang wollten wir nur eine Arbeit von einem Studenten zeigen, jetzt haben wir uns auf eine Bündelung geeinigt. Ende Jänner 2014 zeigen wir vier Arbeiten von zwei Studierenden, die im Ars Electronica Center aufgestellt werden. Der Wunsch ist, dass sich das etabliert, und für unsere Studierenden eine zusätzliche Motivation darstellt – das ist schon etwas besonderes, die eigene Arbeit im Ars Electronica Center zeigen zu können und das sehen sie auch so. Am 30. Jänner 2014, 19:00, ist also der erste Start.

Können Sie uns etwas über die beiden Studenten und ihre Arbeiten erzählen?

Stefan Tiefengraber ist schon ein etwas älterer Student, in dem Sinne, dass er nicht frisch von der Matura kam und beruflich auch im Videobereich tätig war. Ihn hat die Breite des Studiums interessiert und er hat im interaktiven Bereich noch keinen Hintergrund gehabt. Er hat sich das sehr schnell intensiv angeeignet und ist für mich dieser prototypische Student, der die ganze Bandbreite von Video über Interface Design bis zur Interaktion vereeint. Und er schafft es ganz klar, Arbeiten mit einem künstlerischen Anspruch zu entwickeln. Er will Kunst machen und das gelingt ihm sehr gut. Die Arbeiten, die er zeigt, sind für mich sehr starke Arbeiten in Reflexion mit dem Medium an sich. Er schafft es, sehr schöne ästhetische Objekte zu entwickeln, die als Objekt für sich sehr gut dastehen. Bei „Your Unerasable Text“, wo man eine SMS schicken kann, die ausgedruckt und dann sofort verschreddert wird, hat man den Eindruck, die Nachricht ist weg, aber der Titel sagt genau das Gegenteil. Wir wissen alle, dass diese Informationen gar nicht verschwunden sind. So spielt er immer mit diesen Dingen. Bei „User Generated Server Destruction“ knüpft er an eine sehr lange Tradition von sich selbst zerstörenden Maschinen an. Dieses Konzept überträgt er auf das Web, weil die Server für uns nicht wirklich präsent sind. Es gibt riesige Hallen verteilt auf der ganzen Welt und Hochsicherheitstrakte gefüllt mit Servern, aber uns ist nicht wirklich bewusst, dass es diese Maschinen gibt. Natürlich steckt hinter der Wolke Hardware. Irgendwo muss sich das Ganze materialisieren. Und wenn man an die Zerstörung von Servern denkt, assoziiert man schnell das Hacken und solche Dinge mit Software. Aber da gibt es Hardware. Überall vom Web aus kann ich über eine Website Hammerschläge auslösen, die genau diesen Server zerstören, auf dem diese Website läuft. So lange, bis der Server nicht mehr funktioniert. Für mich eine schöne Kopplung von Software und Hardware und der Bewusstmachung, dass die Server existieren. Man kann das mitverfolgen. Die dritte Arbeit greift das allgemeine Thema der Datenvisualisierung auf, wo die „Data Distortion Drawing Machine“ Daten aus dem Netz herauszieht und sie auf einer Zeichenfläche umsetzt, indem zuerst die große Zeichenfläche mit Grafit eingefärbt wird und anschließend der Grafit von der Maschine durch das von Daten gesteuerte Schwingen wieder weggeschabt wird. Es entstehen schöne ästhetische Objekte, die sich sehen lassen.

Victor Delev hingegen bringt viel mit an Informatik- und Programmier-Know-how, weil er die Informatik-HTL in Leonding besucht hat. Das merkt man in seinen Projekten. Auch er ist ein Student, der eine große Bandbreite abgedeckt. Er hat fantastische Videos gemacht und gute interaktive Arbeiten. Er ist Mitglied einer Gruppe, die schon Bühneninszenierungen gemacht hat und wo er die visuelle Gestaltung mit Projektoren durchführt. Für ihn ist sind Bühne, Projektion, Interaktion der Akteure mit den visuellen Gestaltungen die Themen, die sich durch seine Arbeiten durchziehen. Seine Bachelorarbeit im Deep Space soll eine sein, wo er mit einer Tänzerin eine Choreografie entwickelt, bei der deren Bewegungen über Sensoren erfasst werden. Die Tänzerin interagiert mit den reduzierten Schwarz-Weiß-Projektionen von Viktor. Ein sehr zentrales Thema auch für das Ars Electronica Center. Ich bin ein Anhänger des Reduzierten, dadurch kann man sich konzentrieren und aus meiner Sicht auch schärfer wahrnehmen. Aber das ist vielleicht auch mein Background, weil ich Mathematik studiert habe und das da hineinspielt (Funk nimmt seinen ersten Schluck Tee: „Ah, der passt gut“). Man muss auch dazu sagen, das ist nicht der Durchschnitt, den wir zeigen. Die beiden Studierenden zählen derzeit zur Spitze. Das ist klar. Ich bin sehr zufrieden mit der Breite der Arbeiten.

Univ.-Prof. Dr. Gerhard Funk (AT), geboren 1958, studierte Mathematik und Kunsterziehung in Linz und promovierte 1989 in theoretischer Computer Science. Von Beginn an – seit 2006 – leitet er das von ihm federführend konzipierte Bachelorstudium „Zeitbasierte und Interaktive Medien“.

Die Eröffnung findet am DO 30.1.2014, 19:00, im Ars Electronica Center Linz statt. Hier werden auch die Arbeiten von Stefan Tiefengraber und Viktor Delev präsentiert, gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Gerhard Funk, Leiter der Studienrichtung „Zeitbasierte und Interaktive Medien“ der Kunstuniversität Linz, und Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter der Ars Electronica. Die nächsten Präsentationen finden im Mai 2014 statt, ein weiterer Termin ist im Herbst 2014 geplant.

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