Anatta: Die Illusion des Ichs

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Mit den Visualisierungen seiner Bachelorarbeit „Anatta“ verzauberte er bereits Ende Jänner 2014 im Deep Space des Ars Electronica Center die anwesenden Gäste anlässlich des Eröffnungsabends der Ausstellungsreihe „TIME OUT„, die als Plattform für lokale MedienkünstlerInnen in Zusammenarbeit mit dem Studiengang „Zeitbasierte und Interaktive Medien“ der Kunstuniversität Linz ins Leben gerufen wurde. Seit der Eröffnung Ende Jänner 2014 gab es bereits mehrere Auftritte dieser faszinierenden Tanzperformance des in Mazedonien geborenen Studenten Viktor Delev und der aus Polen stammenden Tänzerin Joanna Gruberska: Über Lasertracking werden ihre Bewegungen im Raum erkannt, die Software des 25-Jährigen reagiert in Echtzeit darauf und projiziert großformatige animierte Visualisierungen auf Wand und Boden im Deep Space. Die nächste Gelegenheit, die 20-minütige Tanzperformance einmal selbst zu erleben, gibt es am SA 22.3. und SO 23.3.2014 um jeweils 14:30 im Ars Electronica Center Linz im Rahmen von „MUSEUM TOTAL„. Viktor Delev gibt hier im Interview einen persönlichen Einblick in seine Arbeit.

Viktor Delev (links) und Joanna Gruberska (rechts) nach ihrer Premiere im Deep Space Ende Jänner 2014.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Tanzperformance für den Deep Space zu konzipieren?

Viktor Delev: Nachdem ich mich bei meinen letzten interaktiven Arbeiten ausgiebig mit Thema Körper als Schnittstelle und der dazu gehörigen Technologie beschäftigt habe, war es der nächste logische Schritt, diese Technologie mit einer körperlichen Kunstform, sprich zeitgenössischem Tanz, zu verbinden. Glücklicherweise ist zum selben Zeitpunkt die Kooperation zwischen der Kunstuniversität Linz und dem Ars Electronica Center zustande gekommen. Das hat uns ermöglicht, dieses Projekt im Deep Space zu entwickeln.

Was bedeutet der Titel „Anatta“ eigentlich genau und was erzählt uns die Performance?

Viktor Delev: Der Titel bezieht sich auf Schriften der buddhistischen Lehre, genauer gesagt auf den Satz „sabbe dhamma anatta“. Dieser besagt, dass alle Phänomene ohne Selbst, ohne bleibenden Kern sind. Die Lehre handelt von der Illusion des Ichs bzw. dem künstlich erschaffenen Ego, welches durch seine wachsende Begierde und dem Festhalten an Vergänglichem gespeist wird. Neben diesem buddhistischen Ansatz reihen sich natürlich die jüngeren Bestrebungen der Wissenschaft aus den Bereichen Neurologie, Philosophie und Theologie ein, um das Wesen des Bewusstseins zu beschreiben.

Diese Theorien haben alle etwas gemeinsam: Sie befinden sich alle im spekulativen Stadium und vermutlich werden sie nie darüber hinaus kommen, da alle geistigen Leistungen solche des Gehirns sind, die den biologischen Konstruktions- und Funktionsbedingungen des Denkorgans unterliegen und somit keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit haben.

Aus diesem Paradoxon entsteht eine Art Rückkopplung. Das wirft die Frage auf, ob die Wahrnehmung bzw. äußere Faktoren das Handeln und Denken steueren oder ob das Ich wirklich mündig handelt. Diese Rückkopplung wollen wir mit unserer Performance simulieren, indem die Tänzerin einerseits die Impulsgeberin für das System ist und andererseits auf die daraus resultierenden Visualisierungen reagiert und somit wieder das System mit neuen Informationen füttert.

Mit „Anatta“ haben Sie Technologie und Mensch einen Schritt näher zusammengeführt – was war besonders schwierig bei der Umsetzung?

Viktor Delev: Das Schwierige war, die Balance zwischen den Kunstformen und der Technologie so zu halten, dass der künstlerische und performative Freiraum größtmöglich bleibt und nicht von den Möglichkeiten der Technologie beschränkt wird. Wir haben viel Zeit in die Entwicklung und Evaluierung der interaktiven Elemente investiert. Diese haben wir Stück für Stück angepasst und auf ihr choreografisches Potenzial getestet. Weiters hat auch die Entwicklung der Software und die Anpassung an die Infrastruktur des Deep Space viel Zeit und Nerven gekostet, da man es eigentlich nur vor Ort und in einem kleinen Zeitraum testen konnte.

Mit welcher Software haben Sie die Visualisierungen für den Deep Space programmiert?

Viktor Delev: Das technische Rückgrat bildet mein in C++ geschriebenes Programm „Holograph“. Dieses basiert auf der Open Source Programmbibliothek Cinder und verarbeitet die empfangen Informationen der Tänzerin. Diese werden dort mittels parametrisierten GLSL Shadern visualisiert und per OSC-Protokoll an „Ableton Live“ weitergeleitet und sonifiziert.

Wie sind Sie zur Medienkunst gekommen?

Viktor Delev: Nach meiner Ausbildung zum Softwareentwickler konnte ich keinen Gefallen mehr an der Arbeit in der IT-Branche finden, da sich dort die kreative Freiheit auf die Namensgebung von Variablen und Funktionsnamen beschränkt… obwohl, auch diese sind meistens normiert! Im Bereich der Neuen Medien bzw. im Bachelorstudium „Zeitbasierte und Interaktive Medien“ an der Kunstuniversität Linz konnte ich mein erlerntes Handwerk für kreativere Zwecke nutzen und erweitern. Momentan vertiefe ich mein Wissen im Masterstudium „Interface Cultures“, das auch an der Kunstuniversität Linz angeboten wird.

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