C … what it takes to change

Sujet des Ars Elecronica Festivals 2014,

Das Logo des Ars Electronica Festival 2014

Von 4. bis 8. September 2014 wird die diesjährige Ars Electronica stattfinden. Unter dem Motto “C … what it takes to change” beschäftigt sich das Festival diesmal mit der Frage, welche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen es braucht, damit sich gesellschaftliche Innovation und Erneuerung entfalten und wirksam werden können. Im Mittelpunkt steht dabei das Konzept “Kunst als Katalysator”. Gerfried Stocker, der künstlerische Leiter von Ars Electronica, verrät uns in diesem Interview seine Sicht auf das heurige Festival-Thema.

Wofür steht denn eigentlich das „C“ im Titel „C … what it takes to change“?

Gerfried Stocker: Das C steht an erster Stelle für Change, wie auch im Titel. Würde man eine Reihenfolge der Begriffe festlegen, würde an nächster Stelle wohl Creativity, zu Deutsch Kreativität, kommen. Danach würden verschiedenste „Co“- Begriffe, angefangen von Collaboration (Zusammenarbeit) über Co-Development (Entwicklungszusammenarbeit), bis hin zu den Commons (Gemeingüter) folgen. Der Aspekt einer Sharing Economy, einer Gesellschaft die offen und transparent mit Daten und Informationen umgeht, ist dabei ein ganz entscheidender Punkt. Natürlich gibt es dann auch noch den ganz zentralen Begriff des Catalysts, also des Katalysators. Wenn es darum geht, eine chemische Reaktion herbeizuführen, muss Energie zugeführt werden. Manchmal reicht das nicht aus und man braucht dafür auch einen Katalysator. Einen Stoff, der es den Elementen, die man zum Reagieren bringen will, leichter macht, sich aufeinander einzulassen und etwas Neues hervorzubringen. Konkret gesagt, reduziert ein Katalysator die freie Energie, die für eine Reaktion notwendig ist, ohne sich selbst dabei zu verbrauchen.

Der künstlerische Leiter von Ars Electronica, Gerfried Stocker, greift auf ein Phänomen aus der Chemie zurück

Was hat der Begriff des Katalysators mit Kunst und Kultur zu tun?

Gerfried Stocker: Das ist eigentlich eine der besten und schönsten Beschreibungen dafür, wie ich mir die Rolle von Kunst und die Wirkung von Kunst in der Gesellschaft eigentlich vorstelle. Wenn es also darum geht, eine dauerhafte Veränderung herbeizuführen, dann ist das nur möglich, wenn die eingesetzte Energie geringer wird. Kunst und Kultur können hier eine große Rolle spielen, indem sie als Katalysator dafür sorgen, dass zwei Stoffe bzw. zwei gesellschaftliche Bereiche, die Schwierigkeiten miteinander haben, durch die schiere Präsenz von Kunst und kreativen Ideen und Entwicklungen, besser miteinander bzw. aufeinander reagieren.

Das schöne an dem Begriff vom Katalysator ist, dass sich der Katalysator selber durch diese Veränderung weder verändert, noch verbraucht. Das ist auch in der weiteren Diskussion der Rolle der Kunst ein ganz entscheidender Punkt.

Ein Katalysator kann eben nur dann seine Wirkung entfalten, wenn er ein reines Element ist, wenn er nicht durch die Reaktion der anderen Stoffe verbraucht oder, man würde im Bereich der Kunstdiskussion sagen, wenn er dadurch nicht kompromittiert wird. Also die Ausbeutung bzw. das Kompromittieren der Qualität von Kunst würde sofort die katalysatorische Wirkung wieder zerstören. Und das ist die große Herausforderung in unserer heutigen Zeit. Wir haben ein wachsendes Verständnis dafür, dass Kreativität, Innovation und Ideen Rohstoffe der Zukunft sind. Die Frage ist jedoch, mit welchen gesellschaftlichen Modellen und Vereinbarungen man an diese Rohstoffe herangehen muss. Das Entscheidende dabei ist, dass dies Rohstoffe sind, die man nicht abbauen kann, sondern die man erst einmal aufbauen muss – von denen man nicht gleich profitieren kann, sondern in die man zunächst investieren muss.

The EyeWriter (Goldene Nica Gewinner 2010) ist ein Open-Source-Gemeinschaftsprojekt mit dem Ziel, künstlerische Techniken für Menschen mit neuromuskulären Störungen und Verletzungen zu entwickeln. (Credit: Lieberman / Powderly / Quan / Roth / Sugrue / Watson)

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Nachhaltigkeit von Innovationen?

Gerfried Stocker: Hier ist vor allem von Bedeutung, wie man die Bereitschaft für Veränderung in der Gesellschaft verankern kann. Hier spielt meiner Meinung nach der Aspekt von Kunst und kultureller Bildung eine wichtige Rolle, denn durch die ständige Beschäftigung mit Ideen und Ergebnissen der Kunst kann eine offenere Stimmung, eine stärkere Bereitschaft für Offenheit und für andere Ideen und Sichtweisen in der Gesellschaft entstehen. Eine kreative Gesellschaft ist auch eher eine innovative Gesellschaft. Eine kreative Gesellschaft ist eine, die auch Innovation eher befürwortet und zulässt. Eine kreative Gesellschaft ist nicht nur stärker für Innovationen zu haben, sondern fühlt sich dabei gleichzeitig auch einem ökologisch sinnvollen, einem menschlich verträglichen, Prinzip verpflichtet. Das ist das spannende und wichtige an dieser ganzen Sachen, dass mit einer Kreativwirtschaft eine Kreativindustrie entsteht, die aus der rein wirtschafts- und profitorientierten Rhetorik herausgebracht wird.

Das Ziel soll nicht sein, ein einziges Produkt zu erzeugen, sondern eine Gesellschaft zu schaffen, die permanent auch mit sich selbst kreativ und innovativ umgeht. Kreativität und Innovation fallen nicht vom Himmel und lassen sich auch durch kein noch so schlaues Designthinking und strategisches Innovationsmanagement herbeiplanen. Interdisziplinarität kann nicht heißen, dass sich viele den gleichen Kuchen teilen und jeder sein Stück bekommt, sondern vielmehr den Kuchen gemeinsamen zu backen, indem jeder sein Stück einbringt. Man darf insbesondere Kreativität und Interdisziplinarität auf keinen Fall egoistisch begreifen, denn es handelt sich dabei um partizipatorische Dinge und partizipatorisch heißt auch immer, dass man etwas hergeben muss. Man muss dafür sorgen, dass auch etwas für den anderen drinnen ist. Nur dann leistet man seinen Beitrag und nur dann kann man eine Situation erzeugen, wo für einen selbst auch wieder etwas drinnen ist. Das sind alles Binsenweisheiten, aber in der Realität ist es trotzdem so, dass dies ganz selten wirklich durchdacht und als umfassendes Ökosystem betrachtet wird.

Solar Sinter Project (Auszeichnung bei Prix Ars Electronica 2012) erkundet Fertigungsmöglichkeiten in der Wüste, wo es Energie und Material im Überfluss gibt. (Credit: Amos Field Reid)

Was hat das Ei mit dem Festival-Thema zu tun?

Gerfried Stocker: Bei einem Ei weiß man nicht, was wirklich drinnen ist, oder ob überhaupt etwas daraus schlüpfen wird. Ein Ei braucht Pflege, man muss es ausbrüten und wenn dann etwas schlüpft, muss man sich darum kümmern, bis es selbst wieder ein Ei legen kann. Das heißt, es ist eine gewisse Ungewissheit – man muss in etwas investieren, wovon man nicht genau weiß, was rauskommt und selbst wenn etwas rauskommt, ist man noch nicht fertig, sondern es fängt die nächste Investition an. Wenn man das aber macht, dann hat man einen Mechanismus wiedergeschaffen, ein System, eine Struktur, die Fortsetzung findet. Ein Ei kann man kochen oder auch ungekocht auslöffeln und sich sofort davon bedienen oder man investiert in das Ei und hat längerfristig etwas davon. Wie bei dem Beispiel mit dem Kuchen tritt auch hier der Sharing-Aspekt in den Vordergrund.

Auch Ars Electronica wurde irgendwann einmal als Ei gelegt, dann ist es ausgebrütet worden und jetzt haben wir sozusagen schon unsere eigene Legebatterie. Von dem her ist dies gerade im 35. Bestandsjubiläum von Ars Electronica eine schöne Form, nicht nur zurück zu blicken, sondern ein völliges Vorwärtsthema zu wählen, das genau diese Geschichte reflektiert und auch den Wert dieser Form zeigt.

Das Ars Electronica Festival findet von 4. bis 8. September 2014 in Linz statt. Im Mittelpunkt des diesjährigen Festival-Themas “C … what it takes to change” steht das Konzept “Kunst als Katalysator”. Näheres zum kuratorischen Statement von Gerfried Stocker finden Sie auf ars.electronica.art/c. In den nächsten Wochen folgen weitere Blogbeiträge rund um das Thema des Festivals.

,