Terra Mater: Die Welt im Bild

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Seit April 2013 zeigt das Ars Electronica Center Linz jede Woche eine neue spannende Dokumentation von „Terra Mater“ im Deep Space auf der 16 mal 9 Meter großen Projektionsfläche – bei kostenlosem Eintritt, jeden Samstag von 13 bis 14 Uhr. Möglich ist das nur durch die Zusammenarbeit mit den Terra Mater Factual Studios aus Wien und dem Fernsehsender ServusTV des Red Bull Media House. Ivo Filatsch, Senior Producer und Executive Producer der Terra Mater Factual Studios, gibt uns im Interview einen Einblick, wie solche Dokumentationen eigentlich entstehen und wie er selbst seinen Weg vom ORF in diese Produktionsfirma gefunden hat, die rund 20 Eigenproduktionen pro Jahr auf die Beine stellt.

Herr Filatsch, Terra Mater zeigt jede Woche eine neue Dokumentation – wie entstehen diese Filme?

Ivo Filatsch: Wir produzieren hochwertige TV-Dokumentationen in den Genres Natur, Wissenschaft und Geschichte. Wir bringen an die 20 Eigenproduktionen im Jahr heraus. Unser Output ist umfangreich und breit gefächert – das hängt damit zusammen, wie wir arbeiten. Ob Haus- oder Koproduktion – wir produzieren und gestalten die Filme von der Idee über die Drehbuchentwicklung, den Produktionsplan, die Regie, die Dreharbeiten, den Schnitt und die gesamte übrige Postproduktion wie Musik und Grafik, Sounddesign und Sprachaufnahme bis hin zur Fertigstellung.

Es passiert allerdings praktisch nie, dass ein Projekt zu 100 Prozent genau so wird, wie man es sich anfangs vorgestellt hat. Ein Beispiel sind Probleme bei den Dreharbeiten, weil irgendetwas nicht funktioniert wie geplant – oder weil bei schlechtem Wetter ein Dreh ins Wasser fällt. Dann müssen wir uns Alternativen überlegen, und das Produkt sieht am Ende meist anders aus, als man es ursprünglich geplant hat. Da muss man flexibel und kreativ sein – aber das ist ganz normal und fester Bestandteil unserer Arbeit.

Für unsere erfolgreiche Sendereihe „Terra Mater“ auf ServusTV benötigen wir insgesamt etwa 50 Filme pro Jahr – aber die können wir nicht alle selbst produzieren. Also kaufen wir auch Programm auf dem internationalen TV-Markt ein, zum Beispiel Dokumentationen von der BBC oder von National Geographic – und aus diesen englischen Filmen produzieren wir die deutsche Fassung. Dabei wird der Originaltext nicht einfach nur eins zu eins übersetzt, sondern adaptiert, gegebenenfalls aktualisiert und ergänzt. Mit Eigenproduktionen und Kaufdokus können wir unseren Slot auf ServusTV jeden Mittwoch um 20:15 Uhr (Anm. der Redaktion: und bei „Terra Mater“ im Ars Electronica Center am darauffolgenden Samstag um 13:00) bespielen.

Bildcredit: Terra Mater / Matt Hamilton

Nehmen wir als Beispiel die Dokumentation „Dingos – Australiens wilde Hunde“. Die haben Sie selbst produziert?

Ivo Filatsch: Ja – bei diesem Projekt haben wir mit der Firma Humble Bee Films in Bristol in England zusammengearbeitet. Das Konzept war interessant, das Drehbuch hat uns gefallen – da haben wir gesagt, das würden wir gerne machen. Der Regisseur Duncan Chard hat mit seinem Team in Australien gedreht, und mit dem gesamten Filmmaterial ist er dann zu uns nach Wien gekommen. Zusammen mit dem aus England angereisten Cutter Glenn Rainton hat Duncan die Doku in einer unserer Edits geschnitten. Die beiden haben dafür insgesamt mehr als zwei Monate in Wien verbracht. Wir hatten zuvor vereinbart, dass wir die gesamte Postproduktion bei uns machen – also nicht nur den Schnitt, sondern auch alles, was mit der Vertonung zu tun hat, die Musik, die Grafik und alles andere.

Ist es nicht schwierig, das Filmmaterial zu einer Dokumentation zusammenzuschneiden, wenn man selbst nicht vor Ort gewesen ist?

Ivo Filatsch: Naja, man schaut sich das komplette Drehmaterial natürlich vor dem Schnitt durch und wählt die brauchbaren Szenen und Einstellungen aus. Duncan und das Drehteam hatten alle relevanten Szenen, die im Drehbuch standen, in insgesamt 90 Drehtagen in den Kasten bekommen – manche ein bisschen anders oder später als gedacht. Gemeinsam haben wir dann im Schneideraum die Filmstruktur und die konkrete Geschichte dazu entwickelt. Man probiert etwas aus, und es funktioniert – oder eben nicht. Dann baut man die Sequenz wieder um, bis sie am Ende passt. Im Laufe des Schnitts kamen dann weitere Personen ins Spiel, zum Beispiel der Musiker, der den Soundtrack für den Dingo-Film komponiert hat – denn Musik hat natürlich eine enorme Bedeutung im Film. Oder der Grafiker, der die Karten entworfen hat – damit der Zuschauer weiß, wo die Geschichte geografisch gerade spielt. Einen Film zu produzieren ist auf jeden Fall immer Teamwork.

Wie sind Sie zu Terra Mater gekommen?

Ivo Filatsch: Das ist eine lange Geschichte… ursprünglich habe ich im Juli 1992 beim ORF angefangen. Der damalige TV-Redaktionsleiter der ORF-Wissenschaft, Dr. Manfred Sterling, fand meine Bewerbung originell genug, um mich zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen – und danach ging’s los. Am Anfang war ich für die Wissenschaftsberichterstattung in der „Zeit im Bild“ tätig und habe kurze Beiträge produziert. Dann wurde das Wissenschaftsmagazin „Modern Times“ erfunden, da war ich vom Anfang im März 1995 bis zum Ende mehr als zehn Jahre dabei – und anschließend auch noch bei „Newton“. Bis dahin hatte ich vom damaligen „Universum“-Chef Walter Köhler schon zwei Mal das Angebot bekommen, in seine Redaktion zu wechseln – beim dritten Mal konnte und wollte ich dann nicht mehr Nein sagen.

Schon von 1993 an hatte ich – parallel zu meiner Haupttätigkeit in der ORF-Wissenschaft – auch Dutzende internationale Dokumentationen für „Universum“ bearbeitet. Das heißt, das Metier Tierfilm und Naturdokumentation war mir nicht neu. Ende 2006 bin ich dann in die „Universum“-Redaktion gewechselt – das erste große Projekt war die 100 Minuten-Doku zum 20jährigen Jubiläum von Universum, die ich zusammen mit meinem Kollegen Martin Mészáros gestaltet habe. Ende 2010 hat dann die Universum-Redaktion den ORF verlassen und eine neue Herausforderung angenommen.

Bildcredit: Terra Mater

An welchem Projekt arbeiten Sie als Team gerade?

Ivo Filatsch: Es gibt einige Projekte, die sehr wichtig sind, weil es sich um mehrteilige Dokumentationen handelt, die mehr Aufwand erfordern. Da gibt es zum Beispiel einen Dreiteiler über Sri Lanka, der sich gerade in Produktion befindet – in Zusammenarbeit mit einem britischen Regisseur. Als zuständiger Produzent schaue ich gemeinsam mit meinen Kollegen aus der Produktionsabteilung darauf, ob auch alles unseren Vorstellungen entspricht – Filmteam, Equipment, Drehbuch, Dreharbeiten, Produktionsplan und so weiter. Darüber hinaus arbeite ich auch an der konkreten Erstellung der drei Filme – während des Schnitts wird entschieden, welche Einstellungen genommen und wie Szenen und einzelne Geschichten der drei Folgen gestaltet werden.

Ein neues Projekt, das mir persönlich am Herzen liegt und das ich ebenfalls betreue, ist ein Film über Giraffen – denn über diese tollen Tiere weiß man immer noch recht wenig. Meistens stehen sie in Dokumentationen über Löwen oder Geparde in Afrika nur dekorativ in der Landschaft herum. In unserem Film, der informativ und vor allem unterhaltsam gestaltet wird, bekommen diese Statisten endlich die Hauptrolle, die ihnen zusteht.

Zwei weitere Großprojekte betreut meine Kollegin Andrea Gastgeb: einen Fünfteiler namens „Wildes Brasilien“, der im Vorfeld der Fußball-WM 2014 die fantastische Natur Brasiliens präsentieren wird. Und einen spektakulären Dreiteiler über den längsten Fluss der Erde – den Nil. Abgesehen von den Fernsehproduktionen, für die ich tätig bin, haben wir auch eine eigene Abteilung für Kinoprojekte – aber Kino ist dann wieder ein ganz anderes Kaliber.

Seit wann produzieren Sie Filme auch für Kinos?

Ivo Filatsch: Mit der Gründung der Terra Mater Factual Studios war klar, dass wir uns so aufstellen, dass wir als Hauptgeschäft Fernsehdokumentationen in den Bereichen Natur und Tiere, History, Wissenschaft und Gesellschaft produzieren wollen. Andererseits bestand schon immer auch Interesse daran, Kinoproduktionen zu realisieren. Aber da sind die Anforderungen ganz andere als beim Fernsehen – Kinoprojekte erfordern sehr viel mehr Aufwand und Zeit. Zwei Produktionen, die wir bereits herausgebracht haben, sind „Wolfsbrüder“ und „Harodim“ – ein Spielfilm mit Peter Fonda zu den Hintergründen des 9/11-Terroranschlags. Aktuell arbeiten die Kollegen gerade intensiv an den nächsten Projekten.

Und wie kommen Sie zu den Themen?

Ivo Filatsch: Da gibt es zum einen persönliche Interessen – alle meine Kollegen haben bestimmte Themen, die sie besonders interessieren. Ich komme aus der Wissenschaftsecke und interessiere mich sehr für Naturwissenschaften – und da wiederum speziell für alles, was mit Astronomie und Raumfahrt zu tun hat. Das war immer schon so. Deshalb landen bestimmte Produktionen bei mir, bevor sich jemand anderer komplett neu in diese Themen einlesen muss. Man sollte auch wissen, welche Wissenschaftler man kontaktieren kann, wenn man etwas nicht weiß – hier tut man sich leichter, wenn man in einem Themengebiet bereits gearbeitet und daher entsprechende Kontakte zu Fachleuten hat. Auf der anderen Seite drängen sich manche Stoffe geradezu auf. Ich selbst habe zum Beispiel eine Doku über Meteorite gestaltet, die wir zwei Tage vor dem Weltuntergang – der ja für den 21.12.2012 vorhergesagt wurde – in Terra Mater gesendet haben…

Dann gibt es Projekte, die aufgrund ihrer spannenden Geschichte, einzigartiger Bilder oder ungewöhnlicher Zugänge für uns interessant sind. Oft ist es auch so, dass Leute zu uns kommen, die eine Idee haben und nach einer Möglichkeit suchen, diesen Film zu realisieren. Und wenn uns das Konzept überzeugt und die Rahmenbedingungen stimmen, dann machen wir das.

Bildcredit: Terra Mater / Stephen Voss

Schön, dass man sich das selbst aussuchen kann…

Ivo Filatsch: Man kann sich natürlich nicht alles aussuchen – es ist eine Mischform. Klar, wenn mir ein tolles Filmthema einfällt, das ich gut argumentieren kann, dann spricht wenig dagegen, es zu realisieren. Das gilt natürlich auch für meine Kollegen, die auch immer wieder für sie selbst interessante Inhalte in Filmen umsetzen. Bei unseren Dokumentationen über Meteorite und über Polarlichter war klar, dass das in meinen Bereich fällt. Dass wir uns Polarlichtern gewidmet haben lag daran, dass für 2013 ein Maximum der Sonnenaktivität vorausgesagt wurde – und damit auch besonders viele Polarlichter. Bei den Meteoriten lag von Anfang an das Weltuntergangsszenario des 21. Dezember 2012 in der Luft. Der Hype war zwar Humbug, aber in der Öffentlichkeit war es ein Thema – und die Möglichkeit eines Meteoriteneinschlags auf der Erde ist sehr real, wie der Fall am 15. Februar im russischen Tscheljabinsk gezeigt hat. Wegen dieses Einschlags habe ich meinen Film dann übrigens extra nochmal mit den dramatischen Bildern und Infos von dort aktualisiert.

Und das beschäftigt Sie dann Monate…

Ivo Filatsch: Ja, allerdings – bei der „Aurora“ zum Beispiel hatten wir schwierige Produktionsbedingungen. Insgesamt war ich allein für die Dreharbeiten zu diesem Film in vier Monaten 80.000 Kilometer unterwegs. Neben den langen Reisen gab es intensive Erlebnisse wie extreme Kälte, das faszinierende Polarlicht selbst oder auch Begegnungen mit tollen Menschen. Trotzdem – irgendwann kommt unweigerlich der Moment, wo man sich denkt: wann ist der Film endlich fertig? Am Ende braucht man auf jeden Fall etwas Abstand, weil man mit der Zeit einfach betriebsblind wird. Aber nach einem halben Jahr oder so schaut man sich den Film wieder mal an und denkt sich: ja – das ist gut geworden.

Sehen Sie „Terra Mater“ im Deep Space des Ars Electronica Center Linz, jeden SA um 13:00, bei freiem Eintritt!

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