Interactive Art: Auf der Suche nach etwas Neuem

VOG_4160_Featured,

Michel van Dartel während der Jury-Sitzung Anfang Mai (Foto: Florian Voggeneder)

Irini Papadimitriou und Michel van Dartel waren heuer beide Teil der Prix Ars Electronica Jury in der Kategorie Interactive Art. In dieser Funktion haben sie zahlreiche interaktive Arbeiten, angefangen von Installationen bis hin zu Performances und Netzprojekten, gesichtet und bewertet. Ein gut durchdachtes Konzept und eine gute Idee waren Ihnen dabei wichtiger, als die bloße Ästhetik der künstlerischen Darstellung. Wir konnten die beiden zwischendurch fragen, worauf sie bei der Bewertung der Einreichungen noch geachtet haben.

Letztes Jahr gewann „Pendulum Choir“ die Goldene Nica in der Kategorie Interavtive Art – ein Chorstück, bei dem die Sänger auf Kipppodesten stehen, die zusammen einen lebenden Klangkörper bilden. (Foto: Xavier Voirol)

Gibt es dieses Jahr einen Trend hinsichtlich der Themen der Projekte?

Irini Papadimitriou: Wir haben heuer Projekte aus vielen verschiedenen Bereichen, etwa der Datenvisualisierung oder der Videoprojektion. Auch bildschirmbasierte Interaktionen kommen häufig vor. Was uns aber am meisten aufgefallen ist, sind die vielen Einreichungen aus dem Bereich der Performance.

Michel van Dartel: Stimmt. Was wir außerdem festgestellt haben, ist die große Anzahl an Einreichungen zu bereits vergangenen Trends, wie Drohnen, 3D-Druck und „Rebel Technologies“. Das sind alles Dinge, die ihren Höhepunkt bereits hatten. Also versuchen wir bei unserer Entscheidung vor allem neuen Entwicklungen eine Chance zu geben, die aber natürlich durchaus auch auf den genannten Dingen basieren können.

Irini Papadimitriou: Wir versuchen die Dinge zu meiden, die wir in den vergangenen Jahren oft zu sehen bekommen haben und wir hoffen, dass wir dadurch am Ende zu etwas Neuem und Aufregenden kommen.

Irini Papadimitriou (Foto: Florian Voggeneder)

Ist dieser Trend zu Performances allgemein im Bereich der Interactive Art zu spüren oder ist das beim Prix Ars Electronica eine Ausnahme?

Irini Papadimitriou: Man kann zurzeit überall sehr viele Performances sehen. Es ist ein Bereich der momentan wirklich sehr stark wächst.

In der Kategorie Interactive Art wurden extrem viele Arbeiten eingereicht. Wie geht man mit dieser riesengroßen Menge an Einreichungen um? Wie kann man hier eine Entscheidung treffen?

Michel van Dartel: Wenn man eine so große Zahl an Einreichungen beurteilen soll, muss man sehr pragmatisch sein. Ich versuche dann immer das Tempo möglichst hoch zu halten, damit wir schneller vorankommen. Es ist zwar sehr verlockend manche Projekte im Detail anzusehen, wenn sie einem von der ersten Sekunde an fesseln, doch das wäre bei so vielen Projekten, die man an den ersten beiden Tagen zu sehen bekommt, eher kontraproduktiv und man würde nie weiter kommen. Man sollte die Diskussionen zu den einzelnen Projekten wirklich kurz halten und erst, wenn nur mehr eine Hand voll Einreichungen über ist, diese dann im Detail betrachten und ausführlich diskutieren.

Die Jury-Mitglieder der Kategorie Interactive Art 2014 (Foto: Florian Voggeneder)

Die Jury setzt sich in dieser Kategorie aus Expertinnen und Experten aus Chile, Griechenland, Spanien, Japan und den Niederlanden zusammen. Gibt es durch diese internationale Zusammensetzung viele Meinungsverschiedenheiten?

Irini Papadimitriou: Nicht wirklich. Wir hatten einige interessante Diskussionen, aber bis jetzt waren wir uns immer einig. Wir alle haben ähnliche Ansichten und Ideen, was wir in dieser Kategorie suchen. Wir sind alle sehr daran interessiert, was hinter den Projekten steckt. Bei uns werden nicht nur die Interaktion oder die Partizipation der Einreichungen betrachtet, wir wollen auch, dass hinter der Arbeit eine überzeugende Idee steckt. Auch der soziale Aspekt der Projekte ist uns wichtig.

Rain Room (Auszeichnung Interactive Art 2013) ist ein 100 Quadratmeter großes Feld aus herabstürzendem Wasser, durch das man gehen kann, ohne nass zu werden, wenn man darauf vertraut, dass dies möglich ist. (Foto: rAndom International)

Wie schätzt ihr die Qualität der eingereichten Projekte ein?

Michel van Dartel: Je mehr man sich mit den Projekten beschäftigt, desto klarer tritt deren Qualität hervor. Zunächst kann man sich ja nur einen groben Überblick über die Einreichungen machen, aber je mehr davon ausselektiert werden, desto genauer kann man sich mit einzelnen Projekten beschäftigen und entdeckt dadurch verschiedenste Faktoren, die einem vorher gar nicht aufgefallen sind. Ein Projekt beispielsweise  – jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht zu viel von den diskutierten Projekten verrate –  haben wir am Anfang nur in die nächste Runde aufsteigen lassen, weil es uns zum Lachen gebracht hatte, doch als wir es in den darauffolgenden Tagen durchdiskutierten, wurde das Projekt viel klarer und wir alle merkten, dass es eigentlich viele Kriterien erfüllt, die wir von einer guten Arbeit erwarten.

Irini nannte bereits die Interaktivität, die Partizipation und den sozialen Aspekt. Welche Kriterien müssen die Projekte noch erfüllen?

Michel van Dartel: Damit wir eine gute Entscheidung treffen können, haben wir uns einige Kriterien überlegt, die für uns besonders wichtig sind. Das sind neben der Interaktivität, der Partizipation und dem sozialen Aspekt die Neuartigkeit, die Ästhetik, die Qualität des Konzepts und der Präsentation und last but not least natürlich auch der Spaßfaktor.

Maholo Uchida (Foto: Florian Voggeneder)

Was würdet ihr Künstlerinnen und Künstlern raten, die ein Projekt in dieser Kategorie einreichen wollen?

Irini Papadimitriou: Auf jeden Fall muss das Projekt gut durchdacht sein. Es reicht nicht, dass das Projekt an sich gut ist. Es muss auch eine starke Idee bzw. ein gutes Konzept dahinter stehen. Darauf achte ich besonders.

Michel van Dartel: Ich finde auch, dass das wichtig ist. Man sollte das Textfeld, das bei der Einreichung der Projekte zu Verfügung steht, auch nutzen. Hier sollte man eintragen, was einem zu der Arbeit motiviert und inspiriert hat. Man sollte auch die eigene Position im Feld darstellen. Diese Dinge vermisse ich heuer bei einigen Einreichungen. Meistens werden nur die künstlerischen Darstellungen eingereicht. Wir als Juroren und Jurorinnen würden aber gerne auch wissen auf welcher Arbeit die Einreichung aufbaut oder welchen theoretischen Hintergrund das Projekt hat. So etwas vermisse ich in der Kunst manchmal. In der Wissenschaft ist das anders. Dort gibt es klare Regeln, wie man Quellen zitieren muss, wenn man darauf zurückgreift. So eine Struktur sollte meiner Meinung nach auch in der Kunst entwickelt werden. Das ist auch der einzige Weg, wie wir in diesem Gebiet Wissen fördern können.

Irini Papadimitriou ist eine in London tätige Kuratorin und Produzentin, die zurzeit als Head of New Media Arts Development bei Watermans fungiert, einer Kunstorganisation, die innovative Arbeiten präsentiert und Künstler unterstützt, die mit Technologie arbeiten. Hier kuratiert sie das Ausstellungsprogramm und ein jährliches digitales Performance-Festival. Irini Papadimitriou ist zudem Digital Programmes Manager bei V&A, wobei sie hauptsächlich für Programme wie das jährliche Digital Design Weekend verantwortlich zeichnet. Diese Großveranstaltung umfasst interaktive Installationen, offene und gemeinschaftliche Workshops, Präsentationen von Künstlern und Gespräche mit ihnen sowie die Ausstellung digitaler Kunst- und Designprojekte und bietet den Besuchern die Möglichkeit, die Künstler und Hersteller sowie die Prozesse kennen zu lernen. Zudem ist Irini Papadimitriou eine der Organisatorinnen der Londoner Elephant & Castle Mini Maker Faire, einem Tag des Schaffens, Lernens, Erfindens und Bastelns.

Michel van Dartel ist Kurator bei V2, wo er öffentliche Veranstaltungen koordiniert und an einer Reihe künstlerischer Forschungs- und Entwicklungsprojekte beteiligt ist. Zudem arbeitet er als freiberuflicher Kurator, unter anderem für das Dutch Electronic Art Festival, art center TENT, die MU Galerie, das Energize-Festival und die ARTICLE-Biennale. Daneben ist Michel van Dartel als Autor, Tutor am Luca Brussels University College und an der CODARTS University for the Arts, als Forscher an der Hanze University of Applied Science, Mitherausgeber beim Journal for Artistic Research, Berater der Mondriaan Foundation und von Creative Industries Fund NL sowie als professionelles Mitglied des Beirats des Piet Zwart Institute und der Willem de Kooning Academy tätig. Er hat einen MSc-Abschluss in Kognitiver Psychologie und einen PhD in Künstlicher Intelligenz und lebt derzeit in Rotterdam und Brüssel.

, ,