Architektur in Bewegung

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Schritt für Schritt setzt die menschenähnliche Skulptur einen Fuß vor den anderen – und trotzdem kommt sie nicht voran, würde man meinen. Doch dem ist nicht so, wie die beeindruckende und mit einer Goldenen Nica in der Kategorie „Computer Animation / Film / VFX“ ausgezeichnete Arbeit “Walking City” zeigt. Die Skulptur verändert laufend ihre Form, die Grenzen zwischen Design, Animation, Skulptur, Mode und Architektur verschwimmen. Das Team des britischen Studios „Universal Everything“ hat die Jury des Prix Ars Electronica 2014 damit überzeugt. Matt Pyke, Gründer und Kreativchef des Studios, hat mit uns darüber gesprochen, wie das Projekt entstanden ist und warum ihn Mensch und (theoretische) Architektur so faszinieren.

Ihre Computeranimation “Walking City” verbindet Architektur, Evolution und Bewegung zu einem endlosen Gehen einer sich stets verändernden menschlichen Figur. Wie kamen Sie zu dieser Idee?

Matt Pyke: Wir sind schon lange am Thema der radikalen Architektur interessiert. Begonnen hat alles damit, dass wir uns an der Kunstschule in den 1990er Jahren mit den Arbeiten von Zaha Hadid, Coop Himmelblau und Lebbeus Woods beschäftigten und wir dabei auch die utopischen Visionen von Archigram entdeckten. Vor kurzem konnten wir Parallelen ziehen zwischen der Entstehung der biomorphen und generativen Architektur und unseren Studio-Experimenten mit CGI und Animationen.

Unser Studio legt seinen Schwerpunkt auf die Erfindung neuer Formen des Bewegtbildes – das brachte uns dazu, darüber nachzudenken, wie langsam und subtil ein Film sein kann, der ziemlich unauffällig mit leichten Änderungen im Laufe der Zeit daherkommt. Das ist das Gegenteil des sich schnell bewegenden und von einer niedrigen Aufmerksamkeitsspanne geprägten Inhalts von Werbungen; unsere sich allmählich entwickelnde minimalistische Erzählung schafft eine Art Atempause in der heutigen High-Speed-Gesellschaft.

Neben diesen Einflüssen untersuchen wir die Darstellung der menschlichen Gestalt in abstrakten Formen und unkonventionellen Wegen. Eine gehende Figur ist der reinste Ausdruck des menschlichen Lebens und des Geistes, der endlos einem unsichtbaren Ziel entgegenstrebt. „Walking City“ entstand aus einer Kombination dieser Einflüsse: Architektur + Evolution + menschliche Bewegung.

Matt Pyke, Foto: Universal Everything

Welchen Weg sind Sie von der Idee bis zur Fertigstellung dieser Animation gegangen?

Matt Pyke: Wir produzierten mit “The Transfiguration” bereits einen frühen Film dieser Art, der in unserer Super-Computer-Romantics-Show im digitalen Kunstmuseum La Gaite Lyrique in Paris zum Einsatz kam. “Walking City” entstand wie gesagt aus unseren weiteren Erkundungen der prozeduralen CGI-Techniken, mit denen es uns möglich war, Formen, die ursprünglich auf den von uns festgelegten ästhetischen Regeln basierten, wachsen und weiterentwickeln zu lassen. Wir haben uns dann für ein fast monochromes Erscheinungsbild entschieden, um die Aufmerksamkeit rein auf die Bewegung und die Form zu lenken. Den Film selbst betrachten wir als “Videoskulptur”, die ähnlich wie Marmor geschnitzt und in physikalisch unmögliche Arten geformt werden kann.

Mit dem Titel “Walking City” beziehen Sie sich auf die utopischen Visionen der Architektengruppe “Archigram” aus den 1960er Jahren. Welche Verbindungen gibt es zwischen Ihrer Computeranimation und diesen Visionen?

Matt Pyke: Mit theoretischer Architektur ist alles möglich – komplexe Formen, eine Fülle an Materialien, ungeheuer anspruchsvolle Strukturen. Das gilt auch für CGI. Wir können Dinge erfinden, die zuvor noch nie gebaut wurden, ohne an die Grenzen der physikalischen Welt denken zu müssen.

Wenn wir uns andere Arbeiten von Universal Everything ansehen: Warum ist das Studio so sehr von der Bewegung des menschlichen Körpers fasziniert?

Matt Pyke: Es ist die Faszination, wie die menschliche Seele innerhalb digitaler Formen offenbart werden kann. Leben und Liebe in Technologie einzuhauchen – das erzeugt in den BetrachterInnen eine viel tiefere emotionale Verbindung.

Wie würden Sie das Wort “Animation” in ihren eigenen Worten beschreiben?

Matt Pyke: Pixel zum Leben erwecken und damit Sinneseindrücke erzeugen, die man noch nie zuvor gesehen hat.

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