Drown

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Bereits beim Ars Electronica Festival 2014 begeisterten uns Chloe Cheuk und Kenny Wong mit ihrer interaktiven Installation Iris. Nun hat das chinesische Künstlerduo im Rahmen eines Artist in Residence Programms im Ars Electronica Futurelab die Idee für ein weiteres gemeinsames Projekt, mit dem Namen Drown, geboren. Dabei sollen Wellen in einem großen Wassertank einen Menschenstrom in der überfüllten Metropole Hongkongs darstellen. Im Interview verraten uns Chloe und Kenny, wie sie auf die Idee gekommen sind Wellen für ihr Projekt zu verwenden, warum es wichtig ist diese Wellen und somit sinnbildlich das Chaos auf Hongkongs Straßen, zu kontrollieren und welche weiteren Schritte sie nun gehen müssen, um ihre Idee in die Realität umzusetzen.

Worum geht es bei dem Projekt „Drown“?

Kenny Wong: Bei dem Projekt geht es darum, wie wir uns in Hongkong zwischen all den vielen Menschen, die dort leben, fühlen. Hongkong ist eine riesige Metropole. Auf den Straßen und in den U-Bahnen sind überall und zu jeder Zeit extrem viele Menschen unterwegs. Man kann den physischen Kontakt zu den Menschen fühlen und man kann dabei zusehen, wie sich immer wieder große Menschenmassen bilden und auflösen. Das ist der Kern unseres Projekt. Wir glauben, dass man diese Emotionen oder diese Gefühle, die man in Hongkong hat, am besten mit Wellen ausdrücken kann. Wir wollen also in einem großen Wassertank Wellen entstehen lassen und diese kontrollieren.  Diese Wellen können manchmal chaotisch und wild und manchmal geordnet und ruhig sein. Über dem Wassertank befinden sich Monitore, die von den Wellen bewegt werden und versuchen müssen die Balance zu halten. Auf den Monitoren sind Visualisierungen zu sehen, die ebenfalls die Balance halten müssen. Es geht also darum das Chaos zu balancieren und wir versuchen dieses Gleichgewicht herzustellen.

Chloe Cheuk: Die Welle ist eine abstrakte Darstellung eines Menschenstroms. Wenn man sich beispielsweise U-Bahnen ansieht, kann man beobachten, wie Menschen in der U-Bahnstation aufeinandertreffen, die Menschenmasse immer größer wird und sobald eine U-Bahn in die Station einfährt, wird die Menschenmasse wieder kleiner oder löst sich komplett auf. Manchmal bleiben Menschen jedoch stehen, so dass Ordnung im Chaos herrscht. Das ist das Konzept unseres Projekts. Darum wollen wir die Wellen manipulieren, denn wenn wir die Wellen kontrollieren können, können wir auch das Chaos kontrollieren und somit auch die Ordnung. Das ist der Grund, warum wir Wellen verwenden.

Was soll auf den Bildschirmen zu sehen sein?

Chloe Cheuk: Wir denken immer noch darüber nach, was wir auf den Bildschirmen zeigen könnten.Wir sind uns aber jetzt schon sicher, dass es ebenfalls etwas mit Balance zu tun haben wird. Wir wollen eine kontrollierte Ordnung in dem Chaos, das die Wellen verursachen.

Wie funktioniert das?

Chloe Cheuk: Die Bildschirme bewegen sich mit der Welle mit, als würden sie darauf schwimmen. Wir versuchen das mit elektronischer Technik zu lösen, weil in der Welle Energie steckt. Wir wissen einiges darüber von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Plymouth Universität, die viele Forschungen zum Thema Wasserkraft, oder auch Hydroenergie genannt, machen.

Kenny Wong: Manchmal können die Wellen unkontrollierbar sein, manchmal können sie aber auch ganz ruhig sein. Wir glauben, dass da großes Potential in dieser Arbeit steckt. Zum jetzigen Zeitpunkt würden wir gerne eine Kollaboration mit der Plymouth Universität machen, da diese die nötige Ausstattung für unsere Zwecke hat.

Chloe Cheuk: Genau, die haben nämlich ein Marineinstitut und stellen ihre Räumlichkeiten auch an externe Forscherinnen und Forscher und Künstlerinnen und Künstler zu Verfügung. An diesem Institut haben sie so einen großen Wassertank, in dem sie Wellen kontrollieren können, um verschiedene Studien durchzuführen. Wir haben uns angesehen, was sie bisher so gemacht haben und da haben wir gemerkt, dass sie offen sind für kreative und innovative Ideen. Wir glauben, wenn wir ihnen unsere Idee vorstellen, dass wir mit den Forscherinnen und Forschern dort zusammenarbeiten können und lernen könnten, wie Wellen kontrolliert werden können, um das mit unserem Konzept zu verbinden.

Was habt ihr während der Residency im Ars Electronica Futurelab gemacht?

Chloe Cheuk: Während der Residency haben wir die Idee geboren. Wir haben das Konzept entwickelt, Videos gemacht und Recherchen zum Thema Wasserkraft und Wellenstrukuturen gemacht und wie die Plymouth Universität diese Technologie nutzt.

Kenny Wong: Genau. Hauptsächlich haben wir Nachforschungen gemacht, wie simulierte Wellen kontrolliert werden können und wir haben dann die Idee entwickelt und das Konzept vorbereitet.

Chloe Cheuk: Claudia Schnugg vom Ars Electronica Futurelab hat uns geholfen und uns erklärt, wie die Situation in Europa ist und wie wir ein gutes Konzept für eine europäische Universität entwickeln können, weil wir aus Hongkong sind und daher nicht genau wussten, wie die Situation hier in Europa ist und wir gerne mit einer europäischen Universität zusammenarbeiten würden. Wir versuchen also das System beziehungsweise die Regeln in Europa zu verstehen und wie man ein gutes Konzept schreibt und wie man mit einer Universität in Kontakt tritt. Jetzt haben wir einen Brief vorbereitet, das Konzept entwickelt und unsere Biographien vorbereitet.

Ihr seid von Hongkong über das Rumänische Kulturinstitut in Wien zum Ars Electronica Futurelab in Linz gekommen…

Chloe Cheuk: Angefangen hat es mit unserem vorhergehenden Projekt „Iris“, mit dem wir bei einem Wettbewerb in Hongkong angetreten sind. Nach dem Wettbewerb hielt Gerfried Stocker, der künstlerische Leiter der Ars Electronica, in Hongkong einen Vortrag und erzählte uns etwas über Ars Electronica. Zwischen dem Veranstalter des Wettbewerbs, IFVA, und Ars Electronica besteht eine Kooperation und deshalb hatten sie die Idee ein Projekt aus dem Wettbewerb auszuwählen und beim Ars Electronica Festival 2014 zu präsentieren. Sie haben unsere Arbeit ausgewählt und darüber hinaus boten sie uns an eine Residency im Ars Electronica Futurelab zu machen. Zum Rumänischen Kulturinstitut sind wir dann gekommen, weil diese chinesische Künstlerinnen und Künstler dabei unterstützen Erfahrungen in europäischen Ländern zu sammeln.

Kenny Wong: Ja, das Rumänische Kulturinstitut hat uns dabei unterstützt sechs Wochen hier in Linz zu sein. Nach der Residency reisen wir nach Rumänien, wo wir die Ergebnisse unserer Residency präsentieren werden.

Chloe Cheuk: Das Thema, das uns das Rumänische Kulturinstitut vorgegeben hat, ist, wie nutzen wir in Hongkong Freiräume und was ist der Unterschied dazu in Europa. Nach unserer Residency ist eine Konferenz zu diesem Thema geplant und wir werden dazu auch einen kleinen Beitrag leisten und unsere Ergebnisse aus der Residency präsentieren. Insgesamt wurden sechs chinesische Kunstprojekte unterstützt und unser Projekt ist eines davon.

Könnt ihr uns mehr über das Projekt „Iris“ erzählen?

Kenny Wong: Iris ist eine Installation. Sie ist eine Hand in einem Computer und wenn du deine Hände in die schwarze Box vor ihr hineinsteckst, dann reagiert sie auf deine Gesten. Das ist wie bei einer nonverbalen Kommunikation. Als wir an Iris gearbeitet haben, ist uns aufgefallen, wie viele unterschiedliche Handgesten es gibt. Viele von ihnen haben eine Bedeutung. Es gibt aber auch einige, die nichts bedeuten. Es kann also auch zu einer bedeutungslosen Konversation kommen. Wir sind auch sehr daran interessiert immer mehr unterschiedliche Handgesten zu finden. Das ist wie bei einem Kind, das sich mit seinen Händen spielt.

Warum ist Iris weiblich?

Chloe Cheuk: Technologie kann manchmal sehr kalt sein und ich glaube, dass das weibliche Geschlecht den Computer ein bisschen menschlicher macht.

Kenny Wong: Ja, wir wollten es ein bisschen menschlicher machen. Das Design besteht aus zwei alten Röhrenmonitoren, damit es etwas altmodischer aussieht und man nicht gleich an einen Computer denkt, wenn man die Installation sieht. Wir wollten eine sehr menschliche Form der Kommunikation machen.

Chloe Cheuk: Es sollte sich anfühlen, als hätten wir eine echte Hand in einer Box versteckt. Wir wollten es wie ein Spiel aussehen lassen, aber wir wollten auch ein Geschlecht bestimmen, damit es menschlicher wirkt. Wir haben für die Gesten Hände gefilmt und nicht animiert. Natürlich hätten wir die Hände auch animieren können, damit sie in Echtzeit auf die Gesten reagieren können, aber wir haben uns dazu entschieden unsere Hände aufzunehmen. Somit geht es nicht nur um Hände, sondern es ist wirklich auch „Hand gemacht“.

Kenny Wong: Wir machen auch Schnappschüsse von den Gesten, der Menschen, die ihre Hände in die Box stecken. Das geht dann direkt an unsere Datenbank. Auch auf der Wand des Ars Electronica Centers hinter Iris werden auf einer Projektion die letzten Gesten gezeigt und natürlich kann man auch auf unserer Webseite alle Gesten, die jemals gemacht wurden, sehen.

Ihr seid auch aktiv für die Pro-Demokratie-Proteste in Hongkong tätig. Wie unterstütz ihr die Proteste hier in Linz?

Kenny Wong: Hier können wir nicht sehr viel machen. Wir können nur die Nachrichten online verfolgen. Als wir uns überlegt haben, was wir tun könnten, um die Proteste zu unterstützen, hatten wir die Idee ein Gruppenfoto der Ars Electronica Futurelab Mitglieder zu machen.

Chloe Cheuk: Wir haben das Foto dazu verwendet eine Nachricht an unsere Freunde in Hongkong zu schicken und ein unabhängiges Medium hat diese Information dann auf ihre Facebook-Seite und ihre Homepage geteilt. Dadurch wissen die Menschen in Hongkong, dass wir sie unterstützen. Die Studentinnen und Studenten in Hongkong brauchen die Unterstützung aus anderen Ländern. Ohne dessen Unterstützung, würden sie glauben, dass der Protest keine wirklichen Fortschritte machen würde und keine internationale Aufmerksamkeit bekommen würde. Daher ist es toll, wenn auch Menschen außerhalb Hongkongs die Proteste unterstützen.

Wir haben auch an der Johannes Kepler Universität einen Vortrag für das Masterstudium Webwissenschaften gehalten. Dabei ging es darum, wie soziale Medien die Proteste der Studentinnen und Studenten in Hongkong beeinflussen, wie man damit effektiv auf die Taktik der Regierung reagieren kann und wie man sich mit Hilfe sozialer Medien selbstorganisieren kann. So haben wir die Proteste bisher unterstützt.

Chloe Cheuk erhielt ihren Bachelor of Art in Creative Media von der City University of Hong Kong. Sie arbeitet gleichzeitig mit Installationen, interaktiven Medien, Fotografie und Video. Cheuk konzentriert sich auf die Verbindung von Emotionen mit mechanischen Vorrichtungen, die Erkundung gewöhnlicher Gegenstände, deren gesellschaftlichen Begegnung und über den Dialog, der vielfältige Auswirkungen mit sich bringt.

Kenny Wong Chi-Chuen ist Medienkünstler aus Hongkong. Er erhielt seinen Bachelor of Arts in Creative Media von der City University of Hong Kong im Jahr 2011. Wong legt den Schwerpunkt auf Kunst und multidisziplinärer Forschung, um die heikle Beziehung zwischen täglichen Erfahrungen und Wahrnehmungssimulationen auszudrücken. Wong ist daran interessiert, visuelle Muster, alternative Wahrnehmungszustände, Sound-Texturen und Kunstwerke zu präsentieren, indem er dem Publikum eine neue Form der Interaktion näher bringt.