Mobile Wasserkraft

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Wie bereits berichtet begibt sich ITU Telecom World 2014 gemeinsam mit Ars Electronica auf die Spurensuche nach den Vordenkerinnen und Vordenkern unserer Zeit und präsentieren im „The Lab“ was kreative Innovation und ein Denken in Alternativen bedeuten kann. Anhand 16 ausgewählter Projekte wird gezeigt, welche Relevanz vor allem die Telekommunikation in Zukunft erfahren wird.

Eines dieser kreativen, zukunftsorientierten Projekte nennt sich Rotor. Rotor ist ein kostengünstiges mobiles Kleinkraftwerk, das Regionen ohne Stromanschluss durch eine Plug-and-Play-Sofortlösung mit Elektrizität versorgen kann. Vor allem für Gemeinden, Farmer und NGOs in ländlichen Gebieten, die keinen Zugang zu Elektrizität haben, sich aber in der Nähe eines Flusses befinden, bietet der Rotor eine kostengünstige Alternative, um Strom zu erzeugen. Das Produkt bietet Energie aus erneuerbaren Quellen, die eine Voraussetzung für eine sozioökonomische Entwicklung, für nachhaltiges Wachstum, für die Ausbildung der Telekommunikation und für grundlegende soziale Leistungen und Gesundheitsdienste sind.

Im Interview erzählen uns Markus Heinsdorff und Andreas Zeiselmair, wie Markus im Regenwald Ecuadors auf die Idee gekommen ist, in entlegenen Orten ohne Stromanschluss, Energie mit Wasser zu erzeugen und wie die Beiden das ermöglichen wollen, obwohl vor Ort weder die nötigen finanziellen Mittel, noch das technische Wissen oder die Möglichkeit des Transports großer, komplexer Anlagen vorhanden sind.

Wie seid ihr auf die Idee zu Rotor gekommen?

Markus Heinsdorff: Bei einer Reise in den Regenwald Ecuadors, bei der ich eine Urwaldakademie zur lokalen Ausbildung der Indigenas in ihren Kommunen entwickelt habe, wurde mir das enorme Wasserkraftpotential dieser Region klar. Das Problem dabei war aber, dass es vor Ort weder ausreichend finanzielle Mittel, technisches Know-How noch die Möglichkeit des Transports großer, komplexer Anlagen in dieses abgelegene Gebiet gegeben hat. Aus diesem Umstand heraus ist mir die Idee gekommen eine kleine, sehr einfache, aber zuverlässige und robuste Anlage zu entwickeln. Mit diesem Konzept bin ich dann an das Hydromechanik-Labor der TU München, unter der Leitung von Christoph Rapp, herangetreten und Andreas hat schließlich die technischen Umsetzung weiterentwickelt.

Der ursprüngliche Gedanke eines schwimmenden, liegenden Wasserrads, hat sich dann in einem langen Prozess und mehreren Prototypen weiterentwickelt bis es dann die aktuelle Form des Rotors hatte, der als Kunstwerk und Bausatz geplant war und ist. Der Rotor wird derzeit noch in der Technik und der Elektrifizierung optimiert, damit wir eine höhere Effizienz bei gleichbleibender Robustheit erreichen.

Wie sieht euer Background aus?

Markus Heinsdorff: Ich bin international als Installationskünstler tätig. Dabei setze ich mich vor allem mit den Themengebieten Umwelt, Raum, Natur und Architektur auseinander. Ich habe bereits weltweit Projekte, Installationen und Ausstellungen realisiert. Dazu gehört auch die Präsentation des Auswärtigen Amtes Deutschland in China und Indien, die mehrjährig durch insgesamt 11 Mega-Cities in diesen beiden Ländern tourte. Gleichzeitig ist auch ein zwei-stöckiger Bambuspavillon entstanden, der auf der EXPO 2010 in Shanghai, China, präsentiert wurde. Neben dem nachhaltigen Werkstoff Bambus arbeite ich aber eben auch sehr viel mit dem Element Wasser – vor allem im Rahmen meines Kunst- und Wissenschaftsprojekts „wasser-werke“ in Zusammenarbeit mit dem Hydromechanik Labor der TU München. Seit 2007 bin ich auch Gastprofessor an mehreren Universitäten in China.

Andreas Zeiselmair: Ich habe ursprünglich Umweltingenieurwesen an der Technischen Universität München studiert, wo ich mich auf erneuerbare Energien und Hydraulik spezialisiert habe. Als leitendes Mitglied des Vereins zu Förderung des internationalen Wissensaustauschs war ich bereits an Wasserkraftprojekten im Regenwald Ecuadors und in Kamerun zur Versorgung einer regenerativen Energien Schule engagiert. Aktuell arbeite ich an einem Curriculum für die verbesserte Hydraulik-Ausbildung in Sansibar, Tansania. Als wissenschaftlicher Tutor am Fachgebiet für Hydromechanik der TU München habe ich dann Markus, im Rahmen des Kunst- und Wissenschaftsprojekts ‚wasser-werke‘ kennengelernt. Gemeinsam haben wir auch noch weitere Prototypen für Kleinstwasserkraftwerk entwickelt.

Markus Heinsdorff: Genau und nach der Entwicklung des ersten Prototyps haben wir diesen auf verschiedenen Ausstellungen an der Technischen Universität München, in Sao Paulo, Brasilien und Indien gezeigt. Den Entschluss, dass wir gemeinsam ein Social Entrepreneurship Start-Up, namens Mobile Hydro gründen, haben wir getroffen, nachdem wir die Auszeichnung mit dem „Empowering People Award“ der Siemens Stiftung 2013 erhalten haben.

Wie und mit welchen Mitteln funktioniert der Rotor?

Andreas Zeiselmair: Der Rotor basiert auf dem in der Windkraft bereits seit langem eingesetzten Darrieus Prinzip. Das heißt die Rotation entsteht durch drei vertikale Tragflächen, die in der Mitte mit einer Achse verbunden sind und durch die Strömung in einem Fluss Auftrieb bzw. Antrieb erhalten. Diese Rotation wird mit einer Übersetzung an der Oberseite des Rotors an einen Generator übertragen, der schließlich Strom erzeugt. Mit einem Kabel wird dieser dann am Ufer in eine kleine Puffer-Auto-Batterie eingespeist und steht dem Nutzer dann 24 Stunden, 7 Tage die Woche für Beleuchtung, das Laden von Mobiltelefonen, den Betrieb von Kühlschränken oder Ähnlichem zur Verfügung.

Markus Heinsdorff: Der große Vorteil der gesamten Konstruktion ist der sehr einfache Aufbau und die Wartungsfreundlichkeit gepaart mit hoher Zuverlässigkeit und Widerstandsfähigkeit. Vor allem die Mobilität ermöglicht jederzeit ohne großen Aufwand – man benötigt maximal zwei Personen – eine Umsetzung oder eine Herausnahme aus dem Fluss bei Gefahr, wie beispielsweise bei einer Flut, einer Überschwemmung, oder einer Trockenzeit, und verhindert so auch Beschädigungen. Die Mobilität und die Vermeidung von Defekten erlauben eine einfache und kostengünstige Bauweise.

Wie sieht eure Vision aus?

Markus Heinsdorff: Unsere Vision ist es, dass schon bald viele Regionen der Erde, die bislang über keine oder nur unzuverlässige Stromversorgung – oft mit Diesel-Generatoren – verfügen, mit unserem Rotor ihren Grundbedarf an Energie kostengünstig decken können. Langfristig soll auch die Produktion, soweit möglich, auf die Regionen, in denen der Rotor auch eingesetzt wird, verlagert werden, damit zum einen auch eine weitreichendere lokale Wertschöpfung geschaffen wird und zum anderen, um die Preise für den lokalen Markt erschwinglich zu gestalten.

Wie weit ist euer Projekt schon fortgeschritten?

Andreas Zeiselmair: Derzeit optimieren wir unseren vierten Prototypen, der gerade in einem Fluss südlich von München intensiv getestet wird. Zudem bereiten wir erste Pilotinstallationen in Südamerika, Ost-Afrika und Bangladesch vor, die im zweiten Quartal 2015 installiert werden.

Markus Heinsdorff: Im Rahmen der Social Entrepreneurship Start-Up-Initiative „mobile hydro“ arbeiten wir viel mit unserem weiten Netzwerk an Universitäten, international tätigen Stiftungen sowie Entrepreneuren in den Zielregionen zusammen.

Warum ist es auch ein künstlerisches Projekt?

Andreas Zeiselmair: Zunächst ist der Rotor in erster Linie von Markus als Kunst-Objekt geplant und ausgestellt gewesen. Das Projekt sollte einen Anstoß zur Entwicklung von nachhaltiger Energieversorgung liefern.

Markus Heinsdorff: Stimmt und ich finde Projekte, wie der Rotor für Schwellenländer, sollten auch ästhetischen Maßstäben nach dem Prinzip „form follows function“ entsprechen. Das Resultat ist die – wie wir meinen gelungene – Zusammenführung beider Ansätze.

Warum habt ihr euch entschieden bei dem Open Call von Ars Electronica und ITU Telecom Worlds 2014 mitzumachen?

Markus Heinsdorff: Wir haben das Engagement von Ars Electronica und der ITU Telecom Worlds schon länger interessiert verfolgt. Letztlich sind wir auf den „Open Call for Innovations“ gestoßen und fanden es sehr spannend, dass eine Lösung wie unsere, Teil der Präsentation sein kann. Das Projekt eröffnet auch einen neuen Bereich in der Gestaltung, den man mit „nützlicher Kunst“ umschreiben könnte.

Was erwartet ihr euch von „The Lab“?

Andreas Zeiselmair: Die „The Lab“ Plattform, Ausstellung und ihre Thematik bietet eine besondere Chance, um möglichst viele Besucherinnen und Besucher mit unserem Kunst- und Technikobjekt zu begeistern, bzw. für die damit zusammenhängenden Fragen zu Energie, sozialen- und Umweltthemen zu interessieren, Impulse zu geben und unser Netzwerk und damit auch Entwicklungsmöglichkeiten zu erweitern.

Weitere Infos zu „The Lab“ und ausführliche Projektbeschreibungen finden Sie unter:

http://export.aec.at/itu2014/de

Weitere Fotos finden Sie unter:

https://www.flickr.com/photos/arselectronica/sets/72157649681792435/

Weitere Blogbeiträge zu den Projekten und Interviews mit den KünstlerInnen finden Sie bald auf unserem Blog: