Think Cosmically, Act Locally

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Yuri Tanaka ist zurzeit Reseacherin in Residence im Ars Electronica Futurelab. Während dieser Residency arbeitet sie an ihrer Doktorarbeit zum Thema Cosmic Art. Dabei untersucht sie vor allem, wie neue Medien im Zuge dieser Kunstform eingesetzt werden können. Während ihrer Residency beschäftigt sie sich auch mit dem, im September stattfindenden, Ars Electronica Festival, bei dem sich ein Teil der Ausstellung um Weltraumwissenschaft, drehen wird.

Yuri, du bist Forscherin und Kuratorin von der Kunstuniversität Tokyo. Dabei beschäftigst du dich intensiv mit dem Thema Cosmic Art. Wie sieht eigentlich dein Background aus?

Yuri Tanaka: Meinen Masterabschluss habe ich an der Universität von Tokyo in der Studienrichtung Interdisciplinary Information Studies gemacht. Danach habe ich mit der explorativen Forschung in dem Bereich, den man Space Art oder Cosmic Art nennt, begonnen. Ich bin nach Naoshima übersiedelt – eine kleine einsame Insel mit etwa 3.000 Einwohnern auf 8.13km². Naoshima gehört zu einer Inselgruppe im Seto-Binnenmeer, zu der insgesamt etwa 727 Inseln zählen. Dort habe ich dann in einem Kunstmuseum als Kuratorin gearbeitet. Alle drei Jahre organisieren wir dort ein internationales Kunstfestival namens „Art Setouchi“. Das erste Festival hat 2010 stattgefunden. Genau in dem Jahr, als ich auf die Insel gekommen bin und mein erstes praktisches Kunstprojekt im Bereich Cosmic Art begonnen habe.

setouchiSetouchi (Credit: Yuri Tanaka)

Was fasziniert dich an Cosmic Art?

Yuri Tanaka: Ich suche immer nach einem Ansatz, um die Frage zu beantworten, wie der Kosmos künstlerisch in verschiedenen Kulturen dargestellt wird. Dabei bin ich aber nicht nur auf der Suche nach neuen Kunstwerken der Cosmic Art, sondern ich entfalte mich auch selbst künstlerisch in diesem Bereich und bin extrem daran interessiert, mit lokalen Künstlerinnen und Künstlern, aus der ganzen Welt, zusammenzuarbeiten.

Der Kosmos und die Kunst sind beide stark in ihrer Natur mit dem Menschsein verbunden; sie sind nicht weit weg von einem, aber meistens realisiert man diese Tatsache nicht. Ich sehe meine Mission als Kuratorin darin, den Kosmos, Kunst und die Menschen in ihrem Alltag zu verbinden, indem ich Cosmic Art Projekte gemeinsam mit ihnen, der lokalen Bevölkerung, umsetze.

Klingt spannend! Wie gestaltest du diese Projekte? Wie sieht die Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung aus?

Yuri Tanaka: Alles beginnt immer mit einem Gespräch. Ein Gespräch mit Künstlerinnen und Künstlern, Designerinnen und Designern, Lehrerinnen und Lehrer, mit der lokalen Verwaltung und am wichtigsten mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Wir entwickeln gemeinsam eine Idee und machen einen Plan, um das Cosmic Art Projekt für die lokale Bevölkerung anzupassen. In meinem Fall, mache ich Kunst nicht nur gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern, bei meinen Projekten kann jeder und jede teilnehmen, der will. Durch meinen Aufruf, freiwillig mitzumachen, kommen manchmal mehr als hundert Personen zusammen, um mitzumachen. Das schafft ein echtes Gemeinschaftsgefühl. Das, was ich da auf der Insel erlebt habe, ist wirklich herzerwärmend. Einmal ist jemand zu mir hergekommen und hat gesagt: „Ich hatte keine Vorstellung über den Kosmos oder Kunst, aber meine Phantasie blühte auf, als ich mit dem Kunstprojekt begann ich fühlte, dass der Kosmos ganz nahe ist.“

naoshima01Moons of Naoshima (Naoshima, Japan, 2013) Credit: Takaharu Ito

Was ist der Unterschied zwischen Space Art und Cosmic Art? Kannst du uns bitte ein paar Beispiele nennen?

Yuri Tanaka: Space Art bezieht sich im Allgemeinen auf Kunstwerke, die durch die Kosmologie, die Weltraumforschung oder die Raumfahrttechnik inspiriert sind. Wenn man sich beispielsweise die ägyptischen Pyramiden oder Stonehenge ansieht, merkt man, dass die Idee der Kosmologie auch schon vor sehr langer Zeit beim Bau von Objekten miteinbezogen wurde. Der Begriff Space Art wurde als erstes von Roger Malina bei der Internationalen Astronautische Föderation (IAF) im Kontext der Raumentwicklung im Jahr 1989 definiert. In diesem Zusammenhang wird oft auch von „Astro-Art“ oder „Zero-Gravity Art“ gesprochen. Eine Erklärung des Begriffs Cosmic Art war bereits 1936 im „The Dimensionist Manifesto“ – eine Kundmachung, um diese Art von Kunst zu beschreiben, die mit dem ganzheitlichen Raum oder auch vierdimensionalen Raum, arbeitet.

Der genaue Unterschied zwischen Space Art und Cosmic Art ist aber bis heute nicht geklärt. Im Rahmen unserer Arbeit mit Space Art und Cosmic Art versuchen wir neue Ideen mit diesen Kunstformen zu entwickeln.

Neben diesen theoretischen Definitionen, hat es auch schon viele hervorragende Kunstwerke in diesem Bereich gegeben. Anstatt über Meisterwerke in der Geschichte der Cosmic Art zu sprechen, möchte ich einige Arbeiten von Künstlern nennen, die in meinem Forschungsprojekt waren: Arthur Woods, Charles Ross, Dan Goods, Ioannis Michaloudis, Isamu Noguchi, Otto Piene, Richard Clar, Tim Otto Roth.

Zudem hat es einige bahnbrechende Ansätze gegeben, bei denen Ideen kreiert wurden, wie das Leben im Weltall aussehen könnte. Wenn man an den Kosmos denkt, geht das meist über unsere Vorstellungskraft hinaus und darin besteht die Herausforderung von Cosmic Art. Cosmic Art beschäftigt sich mit dem Leben und dem Universum. Dafür werden die verschiedensten Ansätze von Kunst und Wissenschaft miteinander verbunden.

Worauf hast du dich bei Cosmic Art spezialisiert und worum geht es bei deiner Doktorarbeit?

Yuri Tanaka: Als nächsten Schritt werde ich eine Art Philosophie der Cosmic Art aufstellen und diese praktisch in meiner Doktorarbeit überprüfen. Es ist ein Kreislauf von Theorie und Praxis. Für den philosophischen Hintergrund, habe ich Nachforschungen über den Zusammenhang von Kosmos, Leben und Kunst angestellt und danach gesucht, was sie miteinander verbindet. Meine Arbeit wird hauptsächlich von Ludwig Klages, einem deutschen Philosophen, der sich sehr viel mit Johann Wolfgang von Goethes Morphologie beschäftigt hat, beeinflusst. Ich erforsche aber auch die Arbeiten des Wissenschaftlers Shigeo Miki, der Klages Theorie verwendet, um eine Theorie des Lebens und der Anatomie zu entwickeln, die sehr einflussreich auf dem Gebiet der Ästhetik und der Anatomie in Japan ist.

Diese Ideen möchte ich praktisch in Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern, Designerinnen und Designer, Technikerinnen und Technikern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und der lokalen Bevölkerung vor Ort anwenden. Eines meiner Projekte war beispielsweise auf Tanegashima, einer einsamen Insel im Süden von Japan, wo ein ehemaliges Raketentestgelände der Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA) ist. Mit der Unterstützung der lokalen Bevölkerung, versuchen wir dort ein Cosmic Art Festival zu organisieren. Ich versuche also auch lokale öffentliche Orte eine neue Bedeutung zu geben. Die Idee dahinter lautet: „Think cosmically, act locally“.

uyuniverseUy-uni-verse≒Multiverse (Tanegashima Space Center, Japan, 2014) Credit: Cosmic Art Research Committee

Was erwartet uns bei deinem Vortrag am 11. Juni im Ars Electronica Center?

Yuri Tanaka: Es wird ein Einführungsvortrag zu Cosmic Art. Ich werde verschiedene Cosmic Art Kunstwerke inklusive Fotos und Filme präsentieren. Ich hoffe, damit allen einen Eindruck von dieser einzigartigen Kunstform zu geben.

Yuri Tanaka hat einen Bachelorabschluss von der University of Tsukuba. Während ihres Studiums hat sie ein Austauschjahr an der University of California, Berkeley, gemacht. Nachdem sie ihren Master an der Universität von Tokyo abschloss, arbeitete sie als Kuratorin im Museum von Naoshima. Derzeit ist sie Doktorandin der Universität von Tokyo und als freie Kuratorin, zu ihrem Forschungsthema Cosmic Art, tätig. Darüber hinaus ist sie seit 2014 Gründerin und Leiterin des Cosmic Art Research Committee am Institut für Environmental Art und Design.

Für alle die mehr zu diesem Thema erfahren wollen: am Donnerstag, 11.6.2015, wird Yuri Tanaka im Zuge der Vortragsreihe Future Life im Ars Electronica Center einen Vortrag zum Thema Cosmic Art halten: https://ars.electronica.art/center/fl-cosmicart/

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