Der weltweit erste Kunstsatellit im All

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Am 28. Februar 2014 wurde der weltweit erste Kunstsatellit ARTSAT1: Invader ins All geschossen. Der Invader, ein würfelförmiger Satellit mit einer Kantenlänge von 10 cm und einem Gewicht von 1,85 Kilogramm, war mit einem Arduino-kompatiblen Computer bestückt und konnte, gesteuert von der Bodenstation an der Tama Art University in Tokyo, eine Reihe von künstlerischen Missionen erfolgreich durchführen: die algorithmische Generierung und Übertragung synthetischer Stimmen, Musik und Gedichten, die Aufnahme und Übermittlung von Bilddaten und die Kommunikation mit der Bodenstation mittels eines Chatbot-Programms. Das ARTSAT Projekt war auch Teil der mission [SPACE x ART] – beyond Cosmologies Ausstellung im Museum for Contemporary Art in Tokyo. In einer Installation wurden von Invader gelieferte Daten und Elemente fragmentiert und aufgespalten, BesucherInnen waren eingeladen, diese ganz nach ihren Vorstellungen neu zusammenzusetzen.

Die Jury des Prix Ars Electronica 2015 ehrte das ARTSAT: Art and Satellite Project mit einer Auszeichnung in der Kategorie Hybrid Art. Im September wird das Projekt beim Ars Electronica Festival 2015 zu sehen sein. Wir sprachen mit Akihiro Kubota, dem Projektleiter von ARTSAT.

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Der Name „ARTSAT“ kommt von „Kunstsatellit“. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, den ersten Nano-Kunstsatelliten zu entwickeln?

Akihiro Kubota: 2010 habe ich an der Tama Art University einen kleinen Hackerspace gegründet. Eines Tages kam Tanaka Toshiki an unsere Universität. Er arbeitet am Nano-Satelliten-Center an der University of Tokyo und hat deshalb Erfahrung in der Entwicklung von Nano-Satelliten. Nachdem ich von dem großen Erfolg des CubeSats an der University of Tokyo gehört habe, unterhielten wir uns über die Möglichkeit einen leichten und wendigen Low-Cost-Nano-Satelliten zu entwickeln. Ein Nano-Satellit ist ein unabhängiges Mikrocomputersystem, das durch Sonnenkollektoren angetrieben wird und mit der Bodenstation kommunizieren kann. Wenn so ein Nano-Satellit zu einem persönlichen, privaten Medium wird und nicht mehr nur von Expertinnen und Experten genutzt werden kann, können wir Nano-Satelliten als neues Medium für die Kunst und kulturelle Aktivitäten, über die normalen wissenschaftliche und technische Zwecke hinaus, nutzen. So eine Entwicklung gab es damals, in den 70er Jahren, beispielsweise auch bei Computern.

Deshalb haben wir dann das ARTSAT: Art and Satellite Project ins Leben gerufen. Wir wollen Satelliten dazu nutzen, neue Formen der interdisziplinären und hybriden Medienkunst zu schaffen.

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Die Mitglieder dieses Projekts kommen alle aus den verschiedensten wissenschaftlichen Bereichen. Welche Bereiche waren beteiligt? War die Zusammenarbeit schwierig, weil so viele Personen aus unterschiedlichen Bereichen kommen?

Akihiro Kubota: Die meisten Mitglieder des ARTSAT Projekts sind Studentinnen und Studenten und Absolventinnen und Absolventen des Ingenieursinstituts der University of Tokyo und des Kunst und Medien Instituts der Tama Art University. Es sind aber auch Mitglieder von außerhalb der Universität beteiligt, wie Amateurfunk Betreiber oder unabhängige Designer. Darüber hinaus haben wir projektbasierte Lernklassen (PBL) an der Tama Art University ins Leben gerufen. Das sind offen Kunst und Design Kurse für Studierende aus den unterschiedlichsten Studienrichtungen.

Für das Projekt ist es wichtig, dass die Mitglieder aus den verschiedenen Bereichen bereits seit Beginn des Projekts zusammenarbeiten. Um reibungslos mit den Mitgliedern, die ja die unterschiedlichsten Backgrounds haben, zu kommunizieren, haben wir eine Art gemeinsame Sprache im Projekt entwickelt. Im Fall des ARTSAT Projects, wurde der Kunst-Satellit selbst zur gemeinsamen Sprache unter den Mitgliedern. Der Satellit wurde so auch zum Medium für die Kommunikation.

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Was war das Schwierigste während dem Projekt?

Akihiro Kubota: Einen Satelliten zu entwickeln, der autonom in den schwierigen Verhältnissen des Weltraums funktioniert, ist sehr schwierig. Deshalb mussten wir auch auf der Bodenstation Hardware und Software entwickeln, um die Senderempfänger und die Antennenausrichtung zu steuern. Wir mussten auch erst einmal die Satellitenfrequenz mit der International Amateur Radio Union (IARU) und dem Ministerium für Inneres und Kommunikation (MIC) abstimmen. Es gab strenge Sicherheitsanforderungen der Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA), damit der INVADER an Bord der H-IIA Rakete mitfliegen durfte. Darüber hinaus haben wir gleichzeitig mit der Entwicklung der Technik des Satelliten, eine Kunstausstellung zum Thema organisiert. Ich denke, das Schwierigste war, diese vielen unterschiedlichen, komplizierten Aufgaben gleichzeitig und ohne Zeitverzögerung zu managen.

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In eurem Projekt beschreibt ihr Satelliten und Raumfahrzeuge als „Medien, die die Erde mit dem Weltraum verbinden.“ Warum ist eine solche Verbindung wichtig?

Akihiro Kubota: Viele Probleme, denen wir heutzutage gegenüber stehen, erfordern eine breitere Sichtweise über die Rahmen von Individuen, Gesellschaften und Nationen hinaus. Durch den Kunstsatelliten, der eine persönliche Software ausführen kann, ist man auf eine gewisse Art und Weise selbst im weit entfernten Weltraum. Durch die Verbindung von Erde und Weltraum, mithilfe von personalisierten Kunstsatelliten als Medien, können wir individuelle Sichtweisen aus dem Weltraum teilen. Sowohl die Kunst, als auch die Wissenschaft und die Technik müssen den Weltraum nutzen und die letzte Grenze quasi überschreiten.

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Euer Ziel ist es, dass Satelliten nicht mehr nur von Expertinnen und Experten genutzt werden, sondern von jedem als Medium im täglichen Gebrauch genutzt werden können. Wie stellt ihr euch das vor?

Akihiro Kubota: Wir werden dazu in der Lage sein, alle möglichen Daten aus dem Weltraum zu bekommen, indem wir Satelliten als persönliche, private Medien nutzen. So ein Satellit ist zwar nicht groß, aber einzigartig und wertvoll und wir können dieses Medium frei und täglich, wie beispielsweise einen Computer oder das Internet, nutzen. Viele Länder und Unternehmen haben vor kurzem ihr Interesse an der militärischen und kommerziellen Nutzung des Weltraums bekundet. Ich möchte nicht, dass der Weltraum monopolisiert wird. Deshalb zeige ich den Nutzen und die Möglichkeiten von Kunstsatelliten auf. Das ARTSAT Project ist deshalb auch Teil einer Kunstbewegung.

Sie haben gesagt, es gibt immer noch neue Kunstformen zu entdecken, mit neuen Materialien, Medien, Formate und Methoden. Welche neuen Formen der Kunst könnten Sie sich vorstellen?

Akihiro Kubota: Der INVADER V ist eigentlich für Autos gedacht. Autos, die einen programmierbaren Mikrocomputer integriert haben, zählen heute zu den neuen Medien unserer Zeit. Alte Medien, wie Computer, sind quasi die Inhalte neuer Medien. Der jüngste Boom bei privaten UAVs (Drohnen), ROVs, Roboter und selbstfahrenden Autos zeigt das auch.

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Der Satellit basiert auf Open-Source-Technologie. Warum haben Sie sich dazu entschieden?

Akihiro Kubota: Nachdem die Satelliten ja als persönliches, privates Medium von Jedermann genutzt werden soll, muss die Technologie dazu offen sein. Für uns war es selbstverständlich den ersten Kunstsatelliten der Welt mittels Open-Source-Technologie zu entwickeln. Deshalb entsteht eine Verbindung zwischen Weltraumentwicklung, Hacker-Kultur und Maker Movement. Das Hauptmerkmal des INVADER ist eher die Software des Satelliten, als die Hardware. Die Software offen und frei zu gestalten, haben wir als grundlegende Philosophie des ARTSAT Projects gesehen.

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Wer den weltweit ersten Kunstsatellit mit eigenen Augen sehen möchte, kann das, von 3. – 7. September beim Ars Electronica Festival im Rahmen der CyberArts-Ausstellung im OK Offenes Kulturhaus Oberösterreich, machen.

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