Raummalerei im Deep Space 8K

A collaborative Tagtool session by the OMAi founders,

Im Dezember 2014 wurde Linz von der UNESCO in das „Creative Cities Network“ aufgenommen und darf sich seither „UNESCO City of Media Arts“ nennen. Dass Linz diesen Titel verliehen bekommen hat, dazu hat die Ars Electronica einen wesentlichen Teil beigetragen. Sie beobachtet und zeigt seit mittlerweile 37 Jahren neue Entwicklungen auf, deren Grundlage und Inspiration Kunst und Technologie sind. Mit dem Ars Electronica Center ist Mitte der 1990er-Jahre ein Museum der Zukunft entstanden, das sich voll und ganz mit neuen Medien und ihren Ausformungen und Auswirkungen auf die Gesellschaft beschäftigt. Medienkunst ist dabei ein wichtiger Bereich, dem wir uns am vergangenen Deep-Space-Wochenende im Ars Electronica Center widmeten.

Im Rahmen eines Workshops präsentierte das Team der Wiener Firma OMAi am Samstag die App „Tagtool“, bei dem der Deep Space 8K zu einem einzigartigem Interaktionsraum wurde. Mit dieser App erweckten die TeilnehmerInnen selbstgezeichnete Animationen zum Leben, indem sie diese auf die 16×9 Meter große Projektionsfläche im Deep Space 8K projizierten. Wir haben mit Markus Dorninger, dem Leiter dieses Workshops, gesprochen.

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Markus (Maki) Dorninger beim Tagtool-Workshop im Deep Space (Credit: Martin Hieslmair)

Was genau ist die Tagtool-App und was kann man damit machen?

Markus Dorninger: Tagtool ist die schnellste Art, bewegte Bilder aus dem Kopf zu holen und vor Publikum zum Leben zu erwecken. Dabei ist Fingerfertigkeit gefragt: Man kann mit allen zehn Fingern malen, und die entstandenen Bilder anschließend einfach anfassen und mit Bewegung versehen. Mit einfachen Bausteinen können zunehmend komplexe animierte Welten mit Figuren, Hintergründen oder auch ganz abstrakten Inhalten geschaffen werden.

Tagtool wird meist gemeinsam mit einem Projektor verwendet, zum Beispiel für spontane Visuals auf der Bühne, als digitales Graffiti auf der Straße, oder auch auf Partys. Tagtool ist als App für das iPad erhältlich.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, so eine App zu entwickeln?

Markus Dorninger:  Die Idee entstand während der Arbeit an dem Kindertheaterstück „Theresas Traum“ von Tetete.at – wir wollten eine Geschichte erzählen, die bei jeder Aufführungen einzigartig ist. Wir konnten jedoch kein geeignetes Werkzeug finden, um völlig spontane Animationen vor Live-Publikum zu erzeugen.

Deswegen machten wir uns auf die Suche nach einer eigenen Lösung. Das Ergebnis war eine selbstgebaute Zeichenmaschine mit Knöpfen und Reglern, die wir Tagtool nannten. Wir veröffentlichten den Bauplan und die Idee verbreitete sich schnell um die ganze Welt. Kreative aus Australien, Brasilien oder den USA schickten uns Fotos von ihren eigenen „DIY Tagtools“.

Wir haben uns dann dazu entschieden, die Idee von Tagtool für Multitouch-Tablets umzusetzen, um die expressiven Möglichkeiten der menschlichen Finger so richtig ausnutzen zu können. Das Ergebnis war die App „Tagtool for iPad“, die unter anderem mit dem Content Award ausgezeichnet wurde und von Apple bei der weltweiten Entwicklerkonferenz in San Francisco präsentiert wurde.

Momentan arbeiten wir am nächsten Kapitel der Tagtool-Geschichte – es wird noch ein spannendes Jahr!

Tagtool session by Markus Dorninger in Rio de Janeiro

Credit: OMAi

Mit dieser App habt ihr auch schon großartige Projection Mappings gemacht. Was war bisher der spektakulärste Ort, wo ihr ward?

Markus Dorninger: Ich kann jetzt keinen einzelnen Ort nennen. Das Projekt hat uns bisher in über 40 verschiedene Länder gebracht. Tagtool ist in der Royal Festival Hall in London der Queen vorgestellt worden, wir haben mit Indio-Kindern im brasilianischen Regenwald auf wuchernde Baumstämme projiziert und wir haben auf einer Brandmauer am Checkpoint Charlie in Berlin gemalt. Wir haben auch eine wunderschöne Session auf der Fassade eines Tempels in Ubud auf Bali gehabt  und letzte Woche erst haben wir in der Altstadt von Taipei eine Performance mit Tänzern und Musikern gemacht, die den gesamten Platz in eine freudig johlende Partyzone verwandelt haben. Es geht weniger darum, möglichst berühmte oder imposante Orte anzumalen – viel wichtiger ist die Atmosphäre und die Menschen um uns, mit denen man einen besonderen Moment teilt.

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Credit: Martin Hieslmair

Der Deep Space 8K ist mit seiner 16 mal 9 Meter Wand- und Bodenprojektion und einer 8K-Auflösung weltweit einzigartig. Ist er deshalb nicht ideal geeignet für Tagtool?

Markus Dorninger: Definitiv! Beim Tagtoolen im Deep Space bekommt man tatsächlich das Gefühl, in eine Welt aus bewegten Farben und Formen einzutauchen. Es ist ein echtes Privileg, eine derartig einzigartige Möglichkeit in Österreich zu haben. Wir denken schon daran, Tagtool so zu erweitern, dass wir die Möglichkeit zur dreidimensionalen Darstellung und die hohe Auflösung des Deep Space voll nutzen können. Das ist nur eine Frage der Zeit!

Ihr habt auch schon mehrfach Workshops mit eurer App gemacht. Wer kann an solchen Workshops teilnehmen? Braucht man Vorkenntnisse?

Markus Dorninger:  Wir halten Tagtool-Workshops sowohl für Leute ohne jegliche Vorkenntnisse, als auch für erfahrene Künstlerinnen und Künstler. Der Inhalt eines Workshops wird an den Erfahrungstand der Teilnehmer angepasst. Oft werden wir gebucht, um Workshops für spezielle Zielgruppen zu halten wie zum Beispiel sozial benachteiligte Jugendliche, oder Menschen mit Asperger-Syndrom. Es gibt auch Firmen, die die Kreativität ihres Personals mit einem Workshop anregen wollen. Man muss kein großer Künstler sein, um Tagtool zu benutzen – es geht vielmehr um spontane Kommunikation.

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Credit: Martin Hieslmair

Während dem Deep-Space-Wochenende: UNESCO City of Media Arts konnten Besucherinnen und Besucher ebenfalls an einem Workshop über Tagtool teilnehmen…

Markus Dorninger:  Genau! Wir haben den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gezeigt, wie man mit Tagtool spontane visuelle Welten erstellt. Dabei ist die Zusammenarbeit im Team im Vordergrund  gestande – alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben auf derselben virtuellen Leinwand gemalt und animiert. Es ist ein wundervolles kollektives Kunstwerk entstanden. Dabei war es wichtig, auf die Aktionen der anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu achten und auf ein gemeinsames Ziel hin zu arbeiten. Wir wollten nicht nur die Bedienung der App vermitteln, sondern auch einen spontanen und gemeinschaftlichen Zugang zu digitaler Kreativität. Und ich denke, das ist uns gut gelungen!

Die nächste Möglichkeit an einem Tagtool-Workshop im Deep Space teilzunehmen, gibt es für Kinder und findet während dem Ars-Electronica-Center-Ferienprogramm im Sommer statt. Nähere Infos folgen bald! https://ars.electronica.art/center/programm/ferienprogramm/

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