Die Zeit läuft…

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Was wird bei der VDS gespeichert?
APA/Der Standard

Populistisch gesprochen verabschiedet sich mit 1. April die Unschuldsvermutung, österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger werden unter Generalverdacht gestellt. Alle Telekommunikationsanbieter sind ab diesem tag verpflichtet, die Verbindungsdaten ihrer Kundinnen und Kunden 6 Monate lang zu speichern, es ist also nachvollziehbar, wann man wem eine SMS geschickt hat, wie oft man eine bestimmte Telefonnummer angerufen hat, welche Nutzerin oder welche Nutzer zu welchem Zeitpunkt eine bestimmte IP-Adresse zugewiesen bekommen hat, wann und wohin emails verschickt wurden. Allein die Vorstellung, die Post müsste dokumentieren, von welcher Adresse, mit welchem Absender wieviele Briefe an welche Adresse geschickt werden, ist schon eher absurd. Aber freilich, mit digitalen Daten lässt sichs leichter sammeln. Viele Juristinnen und Juristen sehen darin einen Verstoß gegen die österreichische Verfassung, die Rechte der Einzelnen werden zu einem großen Teil aufgehoben. Private Kommunikation ist zumindest auf elektronischen Wegen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich, die Wirtshäuser des Landes wird es freuen, der Stammtisch könnte wieder retour in die analoge Welt verlegt werden. Wenn man sich in Erinnerung ruft, was so alles vor einem Jahr während des sogenannten arabischen Frühlings im Internet passierte, sollte man einiges an Skepsis der VDS gegenüber aufbringen.

Eine sehr brauchbare Übersicht zum Thema Vorratsdatenspeicherung gibt es auf übrigens auf help.orf.at.

Pikant ist die VDS auch im Zusammenhang mit ACTA, dem internationalen Anti-Piraterieabkommen, gegen welches sich mittlerweile auch Widerstand auf höchster Ebene regt. So hat die polnische Regierung ihr Mitwirken an ACTA vorerst auf Eis gelegt, solange der Entwurf in seiner aktuellen Form gültig bleibt, relativ schnell hat sich die Meinung innerhalb der Regierung von „Wir lassen uns nicht erpressen!“ (InternetaktivistInnen hatten empfindliche Informationen sichergestellt und damit gedroht, sie zu veröffentlichen) hin zu „Die Argumente der Netzgemeinde sind nachvollziehbar und werden geprüft“ geändert, die Tschechische Republik hat den Ratifizierungsprozess ebenfalls auf Eis gelegt. Ein Schritt, der in Österreich wünschenswert wäre, statt still und heimlich in Japan ein Abkommen von dieser Tragweite zu unterzeichnen. Eine Tragweite, der sich offenbar auch hohe Vertreter der unterzeichnenden Länder nicht bewusst sind, so entschuldigt sich die slowenische Botschafterin in Japan, Helena Drnovsek Zorko, dafür, dass sie das Abkommen aus „bürgerlicher Unachtsamkeit“ heraus unterschrieben habe und sich der Bedeutung dieses Dokuments nicht bewusst war. Hier die Erklärung im O-Ton. Update 07.02.15:00 Uhr: Auch die Slowakei hat sich entschlossen, die Ratifizierung zu stoppen.

Wieso das alles so ein großes Problem ist? ACTA erweitert die Instrumente, mit denen man gegen Urheberrechtsverletzungen vorgehen kann, die Vorratsdatenspeicherung liefert die Daten. Man könnte also wegen einer gelinde gesagt fragwürdigen Auslegung des Urheberrechts in ziemlich ernste legale Probleme steuern. Raubkopien unters Volk zu bringen, das ist eine Sache (wobei hier die Definition der Raubkopie beziehungsweise des Urheberrechts auch eine ordentliche Überarbeitung verdient hätte, um mit dem Jahr 2012 Tritt zu halten). In England wurde kürzlich das Urteil gefällt, dass das Nachstellen berühmter Fotografien bereits eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Wer hier frei von schuld ist, werfe den ersten Stein.

Als gemeinsames Gespann würden ACTA und VDS einer willkürlichen Zensur Tür und Tor öffnen, weshalb es ist nicht übertrieben ist zu behaupten, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen als zwei weitere, sehr große Schritte in Richtung Überwachungsstaat zu bezeichnen sind.

Die nächsten Wochen werden noch spannend.