Die begehbare Infografik

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Mitte April 2013 erhält der Ausstellungsbereich GeoCity im Ars Electronica Center ein grundlegendes Update. So wird das interaktive Stadt- und Geoinformationssystem SimLinz um neue Daten und Funktionalitäten erweitert, auch Vergleiche mit anderen Städten der Welt werden möglich sein. Lesen Sie hier das Interview mit Michael Badics – er leitet nicht nur gemeinsam mit Bernd Albl die Ars Electronica Solutions, sondern ist auch für die Neugestaltung der GeoCity verantwortlich.

Was erwartet uns im neu gestalteten Bereich in der GeoCity?

Der neue Bereich in der GeoCity spiegelt zum einen die Weiterentwicklung unseres Produktes Geopulse wider, das wir in den letzten zwölf Monaten mit neuen Funktionalitäten ausgestattet haben. Zum anderen haben die BesucherInnen die Möglichkeit, intensiv in das Thema Stadt als den wesentlichsten Lebensraum für uns Menschen in der Zukunft einzutauchen. 2050 werden ungefähr 85 Prozent aller Menschen in Städten leben und das bedeutet auch eine gewaltige Herausforderung für die Städte selbst. Schon jetzt sieht man an den aktuellen Problemen der Megacities, welche Aufgaben auch in Zukunft in anderen Städten zu lösen sein werden.

Sozusagen eine Informationsplattform über die Stadt?

Geopulse versteht sich nicht nur als Informationsplattform und –werkzeug, um den BürgerInnen Informationen über die Stadt in einer Art und Weise näher zu bringen, die es überhaupt erst einmal ermöglicht, diese Information zu begreifen, sondern es versteht sich auch als Planungstool für die Stadtentwicklung selbst. Und das versuchen wir in den unterschiedlichsten Ausprägungen von Geopulse wie beispielhaft ein Projekt in Peking zeigt. Dort wurde Geopulse viel mehr in die Richtung einer Simulation entwickelt, um als Tool die infrastrukturelle Planung vieler maßgeblicher Probleme einer Stadt – ob Verkehr, Waste Management, Wasserwirtschaft oder Energiewirtschaft – überhaupt in den Griff zu bekommen.

Primär dient es aber nach wie vor als Informationswerkzeug, um den Menschen verborgene und komplexe Informationen der Stadt auf eine einfache Art und Weise zur Verfügung zu stellen. Und zwar auf eine visuelle Art, die es ermöglicht, all diese Zahlen und komplexen Informationen überhaupt zu begreifen. Ein wesentliches Ziel des Produktes und der Installation in Linz ist, dass Menschen, normale Bürger und Bürgerinnen der Stadt, einen einfachen Zugang zu Informationen und Inhalten der Stadt finden.

Wie kam es zu diesem Projekt?

Begonnen hat es eigentlich damit, dass die Stadt Linz an uns herangetreten ist, um das Stadtmodell zu überarbeiten, das noch immer im Neuen Rathaus in Linz zu besichtigen ist. Die digitale Version sollte viel mehr können als nur das Stadtbild wiederzugeben – das ja ein Modell sehr gut kann. Unterschiedlichste Aspekte der Stadt und vor allem auch die Entwicklung der Stadt sollten in dieses digitale Stadtmodell einfließen, das wir dann schließlich im Jahr 2007 realisiert haben. Aus dieser ersten Version heraus ist SimLinz für die GeoCity im Ars Electronica Center weiterentwickelt worden. Diese Idee wurde weiterverfolgt. Wir erkannten, dass dies nicht nur für Linz sondern auch für andere Städte ein praktisches Werkzeug ist, um nicht nur Touristen sondern auch BewohnerInnen einer Stadt zu informieren.

Warum sind Informationen über die Stadt für die Bürgerinnen und Bürger so nützlich?

Es geht vor allem um das Begreifen der Maßnahmen, die eine Stadt setzt, die sie in der Vergangenheit eingeleitet hat und die sie in der Zukunft plant. Warum sind bestimmte Maßnahmen in der Stadt notwendig? Dies ist einfacher zu verstehen, wenn zum Beispiel Verkehrsdaten visualisiert werden und man in Echtzeit sieht, wo es Engpässe zu welcher Tages- und Nachtzeit auf den Straßen gibt und wo es dann klar wird, dass man hier eine planerische Maßnahme wie beispielsweise eine neue Donaubrücke in Linz setzen muss. Mit der Geopulse-Installation können die Bürgerinnen und Bürger auf Informationen zugreifen, die zu bestimmten Entscheidungen geführt hat. Hier sei auch die Open Data Initiative erwähnt, die in den letzten Jahren sprunghaft an MitgliederInnen angewachsen ist – die Stadt Linz ist hier in Österreich übrigens eine der ersten gewesen, die auf diesen Zug aufgesprungen ist.

Viel geht in diese Richtung der Echtzeitinformationen, die ebenso über dieses Werkzeug abgebildet werden können – also nicht nur statische Informationen, obwohl auch diese extrem interessant sind, wenn sie über eine gewisse Zeitperiode beobachtet werden. Eine Zahlenkolonne über die Entwicklung der Kindergärten in Linz der letzten dreißig Jahre sagt erst dann etwas aus, wenn die Daten visualisiert sind, und man nicht nur einen Eindruck bekommt, wo im Großraum Linz diese Veränderungen stattgefunden haben, sondern auch das Ausmaß begreiflich wird. Städte setzen eine Reihe von Aktionen in den verschiedensten Bereichen wie Soziales, Gesundheit, Verkehr und anderes um, die bisher vielleicht gar nicht so sehr zu den Bürgerinnen und Bürgern vordringen sind.

Bei Geopulse wird die Stadt mit einem Stift durchwandert. Wie sehr ist dieses Interface so zentral zum Erforschen einer Stadt?

Das Interface spielt deshalb eine große Rolle, weil es dem Ziel der Installation entspricht, eine große Bandbreite an Menschen über die Stadt zu informieren und die Inhalte so aufbereitet wiederzugeben, damit sie alle verstehen können. Was heißt das in einer Stadt? Es sind ungefähr 50 bis 60 Prozent der Stadtbevölkerung über 40 Jahre alt. Viele in dieser Altersgruppe der „Digital Immigrants“ haben Schwierigkeiten neue Technologie zu verwenden. Aber auch diese große Menschengruppe soll die Möglichkeit haben, auf die digitalen Daten der Stadt zugreifen zu können – deshalb auch diese Interaktionsmöglichkeit und die Metapher des Stiftes. Hier greifen wir ein altes Kulturgut auf, Buch und Stift, drehen die Technologie des digitalen Stiftes um und geben den Menschen die Möglichkeit in die Hand, mit einem Tool, das alle kennen und bedienen können, die Stadt zu erforschen und auf Informationen zuzugreifen, die ansonsten ein gewisses Maß an Erfahrung mit dem Umgang moderner Technologie voraussetzen würden.

Ich bin oft der Frage ausgesetzt, warum man denn kein Touch-Interface und all diese Dinge verwendet. Das ist ganz bewusst so gewählt, dass man eben etwas nimmt, das eigentlich durchgängig durch alle Zielgruppen hinweg bekannt und bedienbar ist. Und das dennoch eine gewisse Magie in sich trägt, wenn mit dem Stift digitale Welten gesteuert werden können, die normalerweise nur über hochtechnisierte Interfaces bedient werden können. Und auch wenn Multi-Touch heutzutage für jeden „normal“ ist, ist es doch für eine riesengroße Gruppe an Menschen nicht normal. Deswegen ist der Stift aus meiner Sicht ein sehr wichtiges Element.

Jetzt ist Linz an der Reihe, vor ein paar Monaten war es Peking. Wie geht es weiter mit dem Produkt?

Also mit dem Produkt Geopulse geht es munter weiter. Nicht nur, dass wir jetzt hier für das Ars Electronica Center Linz diese Neuauflage mit neuen Daten und neuen Funktionalitäten zeigen, parallel dazu auch in Peking weitermachen. Parallel dazu gibt es bereits Anfragen aus vielen anderen Städten, wie ganz konkret auch Berlin, Fribourg in der Schweiz, Moskau, Saragossa… Es gibt hier doch ein großes Interesse, so eine Plattform zu etablieren, auf deren Basis man weit über die Informationspflicht der Stadt gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern hinausgeht.

Die Daten auch intern zu verwenden, um bestimmte Prozesse, die in der Stadt geschehen, plötzlich erkennbar zu machen, indem sie visualisiert und simuliert werden und indem Daten miteinander verknüpft werden, die auf Papier oder mit anderen Möglichkeiten schwer zu verknüpfen sind. Da kommt man schon auf ganz interessante Ergebnisse, auch für die Stadtentwicklung selbst.

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