Spaxels in London

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Die Quadrocopter sind wieder in der Luft. Natürlich wurde seit der voestalpine Klangwolke 2012 getestet und weiterentwickelt, was das Zeug hält (und teilweise darüber hinaus), schließlich war die Performance in Linz lediglich der Anfang der Spaxels, ein Proof-Of-Concept, wenn man so möchte (auch wenn es für einen Weltrekord gereicht hat, für den des größten Outdoor-Formationsfluges nämlich).

Weil die Quadcopter auch im Internet einige Wellen geschlagen haben, findet am Samstag eine Show statt. Paramount Pictures setzt die Spaxels, um für „Star Trek – Into Darkness“, den zweiten Teil des Relaunches der großartigen Star Trek – Filme, ein wenig die Werbetrommel zu rühren. In Kooperation mit dem WWF werden die Spaxels den Anfang und das Ende der Earth Hour einleiten und ein Star Trek – Logo in den Londoner Nachthimmel zeichnen, direkt neben der Towerbridge. Wieso gerade London? Es sei nicht zu viel verraten, aber im Film wird man eine Antwort auf diese Frage finden.

Weil das alles im Vorfeld streng geheim ist, lesen Sie erst jetzt davon, es folgt ein Reisetagebuch. Und weil es die Quadcopter nicht aus eigener Kraft aus Linz über den Ärmelkanal nach Englands Hauptstadt schaffen (beziehungsweise die Zeit für diese Reise leider nicht vorhanden ist), beginnt das Reisetagebuch mit einer Busfahrt.

Nein, Moment. Die Reise beginnt damit, was die Quadcopter beziehungsweise Spaxels überhaupt sind. „Am Anfang habe ich die ja gar nicht ernst genommen.“ Das sagt Daniel Gurda von Ascending Technologies, der Münchner Firma, die die Hummingsbird baut, fernsteuerbare Kleinstfluggeräte mit vier Rotoren, Quadcopter, Quadrocopter oder auch Drohnen, „die Quadcopter als Pixel zu verwenden, um damit Formen in 3D in den Himmel zu stellen schien mir zu irre.“

Serienausführung sind die Hummingbirds, die für die Spaxels verwendet werden, nicht, ihre Software lässt es zu, dass die Quadros wesentlich stabiler in der Luft unterwegs sind als ihre Brüder oder Schwestern von der Stange. Aber die Erkenntnisse des Futurelabs fließen in die Entwicklung ein, die Spaxels sind also quasi die F1 des Quadrocopterflugwesens.

Was genau entwickelt das Futurelab jetzt eigentlich, die Fluggeräte sind ja quasi fertig? Auch hier lautet das Stichwort Software, es gilt, die Gestaltung der Formation, sei es ein Logo, ein Symbol oder eine ganze Show, in eine Form zu bringen, die von den Hummingbirds umgesetzt werden kann.

Das kann man sich ungefähr so vorstellen: Die Designer entwerfen in einem 3D-Programm den Ablauf eines Programms, die Shapes, die Animationen, die Abfolge der Formen, das alles wird im Wesentlichen genauso vorbereitet, wie in einem Animationsfilm, mit dem Unterschied, dass die Pixel keine Punkte am Bildschirm, sondern physische Bildpunkte am Himmel sind.

Die Herausforderung besteht nun in der Übersetzung der Daten in Flugkoordinaten. Dazu gibt ein Rechner zunächst den Ablauf der Flugshow vor und die Spaxels melden ihre Positionen, per GPS und per LPM (mehr dazu in folgendem Blogbeitrag). Das tun sie ziemlich oft, die Flugbahnen müssen präzise ausgeführt werden, Wind und Wetter haben einen recht großen Einfluss auf die Flugbewegungen, es gilt, die absolute Position im Raum als auch die relative Position der Spaxels untereinander zu überwachen und zu korrigieren.

Und das ist die technische Meisterleistung des Futurelabs, der Herausforderung, so feingliedrige und detaillierte Formen zu zeichnen, und das noch dazu im Freien, dieser Herausforderung stellen sich nicht viele, und ganz wenige halbwegs erfolgreich.

Die Location aus der Vogelperspektive

Nun denn, jetzt wissen wir über die Quadros Bescheid, ab geht die Reise, und es kommt die besagte Busfahrt. Und ist auch wieder zu Ende. Am Donnerstag kommen Team und Hummingbirds wohlauf in London an. Als erster Tagesordnungspunkt der Reise steht die Besichtigung der Location, von der aus die Quadros ihre Flüge starten werden, an, und man kann festhalten: Sie ist fantastisch. Im Vorfeld hieß es, sie sei direkt an der Themse, gleich neben der Towerbridge, gut einzusehen und mitten im Herzen Londons. Und die Location ist nicht so, wie man über sie in einer Hotelbeschreibung lesen würden, nein, vom Startplatz aus kann man tatsächlich Steine in die Themse schmeissen, und schiene in England öfter die Sonne, die Tower Bridge würde einen Schatten auf die Spaxels werfen. Das Team ist begeistert.

Wie gesagt, die Tower Bridge ist nicht weit weg

Und ab, die Nahrungsaufnahme ruft.

Am Abend des Anreisetages folgt der nächste Grund zur Freude: Daniel Gurda und Jan Stumpf von Ascending Technologies hat neue Software mitgebracht, die hilft, die Hummingsbirds in der Luft noch stabiler zu machen. Im Inneren dieser kleinen Wunderwerke werken nämlich zwei Gehirne: Das eine wird vom Futurelab weiterentwickelt und kümmert sich, wenn man so will, um den kreativen Teil des Flugs, die sogenannten High-Level-Operationen. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Kommunikation mit dem Server, die Farbänderung der LED-Lichter, die Navigation und dergleichen. Die zweite Recheneinheit wird von Ascending Technologies bespielt und behält die Übersicht, was das Ausführen des Fluges an sich angeht, übernimmt also die Low-Level-Operation, die den Hummingbird auf Kurs halten.

Der Hummingbird in seiner vollen Pracht.

Hier hat das Münchner Unternehmen in den letzten Wochen fleißig weiterentwickelt und konnte die Performance der Quadros noch einmal deutlich steigern. Dabei wurden unter anderem auch einige Softwareroutinen entfernt, die beim manuellen oder halbmanuellen Flug recht praktisch sind, dem Formationsflug allerdings ein wenig entgegenstreben.

Das Zusammenspiel der beiden Recheneinheiten ist eng und voneinander abhängig, man denke hier ans Autofahren, das Gehirn sagt, wo es lang geht, die Hände und Füsse sind für die Ausführung zuständig.

Dabei wird die Entwicklung gegenseitig vorangetrieben, Ascending Technologies stellt dem Futurelab das Entwicklerkit zur Verfügung, vor der London-Show saßen Entwickler von beiden Seiten 4 Tage in München zusammen und haben unter Abschottung von der Außenwelt optimiert, Fehler bereinigt und die Software wieder ein ordentliches Stück weitergebracht.

Die letzten Modifikationen an den Quadros werden vorgenommen.

Die Quadros werden mit der neuen Firmware geflasht, sie werden weitererzogen, den letzten Testflügen steht nichts mehr im Weg (außer womöglich ein gar zu garstiges Wetter, aber alle haben brav zusammengegessen), das Team des Futurelabs und von Ascending Technologies freut sich auf den Tag vor der Show.

Bevor gestartet werden kann, wird das Grid ausgemessen, jeder Quadrocopter hat seinen bestimmten Platz. Unter anderem im Einsatz: Regenfeste Kleidung der Extraklasse und Mühlviertler Hopfenspieße.

Das Wetter ist englisch, mäßig trocken und windig. Die Testflüge beginnen mit dem Flug eines Hummingbirds, Renly, um herauszufinden, wie stark der Wind die Flugbahn der Quadros beeinflusst, und die gute Nachricht lautet: Die Quadros fühlen sich wohl, obwohl die Windgeschwindigkeit bei 30 km/h und darüber liegt, lediglich die Akkuleistung leidet ein wenig unter den Bedingungen, die Softwaremodifikationen machen sich jedoch jetzt schon bezahlt.

Alles brav in Reih und Glied.

Um die Sache zu erleichtern, werden noch Modifikationen an den Quadros beziehungsweise an der Lichtanlage vorgenommen. Die Halbkugel, die üblicherweise die LEDs schützt und das Licht streut, wird durch eine flachere Variante ersetzt, zusätzlich werden die Landebeine abmontiert, die Hummingbirds starten quasi aus der Bauchlage. Das alles hilft, die Aerodynamik zu verbessern und dem Wind eine möglichst geringe Angriffsfläche zu bieten, die Akkus atmen auf.

Und ab gehts in die Luft.

Am Abend werden im Hotel noch die Testflüge des Tages ausgewertet, die Bedingungen waren extrem, die Hummingsbirds haben sich gut geschlagen. Es herrscht Zuversicht, denn der Wetterbericht verspricht wesentlich leichteren Wind für die Show.

Es ist sonnig und warm…

Der Samstag, der Tag also, an dem es ans Eingemachte geht, beginnt mit einem Schock: Es schneit. Es ist Ende März in London, und auch die Einheimischen sind sichtlich überrascht. Leichter Regen erleichtert die Flugsituation nicht unbedingt, Schnee ist schlimmer, die Kommunikation zwischen Server und Quadrocopter wird in Mitleidenschaft gezogen, die GPS-Positionierung ungenauer, die Flugbedingungen riskanter. Der Blick auf die Wetterprognose spendet ein wenig Trost, gegen Abend soll der Niederschlag aufhören und der Wind abflauen, doch dem Team steht ein langer, kühler Tag ins Haus, eine Herausforderung für Leib und Geist, die Vorbereitungen müssen präzise ausgeführt werden, die Show verlangt allen Beteiligten höchste Konzentration ab.

Horst Hörtner und Daniel Gurda besprechen die Lage

Das Startgrid wird den Begebenheiten angepasst, der Park, von dem aus geflogen wird, ist nicht groß genug, um die reguläre Startposition zu fliegen, aber das ist kein Problem. Die Hummingsbirds bekommen noch eine letzte Modifikation spendiert, aus München werden härtere Rotorblätter eingeflogen, die die Flugeigenschaften nochmal um ein paar Prozent verbessern.

Nach der Montage heißt es dann warten. Einerseits beharrt der Schnee darauf, weiterhin den Spielverderber zu mimen, andererseits werden direkt am benachbarten Grundstück Bauarbeiten durchgeführt, aus Sicherheitsgründen wird deren Ende abgewartet.

So wird unter anderem die Spaxels-Checklist um einen Punkt erweitert, nämlich um Heizschwammerl, schön langsam kriecht der englische Frühling unter die Knochen, Tee und Konsorten werden zum besten Freund des Teams.

Schließlich verzieht sich der Schnee jedoch. Die Testflüge können beginnen, jeder Hummingbird wird einzeln überprüft, ob beim Umbau der Rotoren alles ordnungsgemäß über die Bühne gegangen ist.

Kurz vor dem Start

Bevor es ernst wird, wird nochmal der Zeitplan besprochen, jeder Handgriff muss sitzen, das Zeitfenster, um die Formation, um das Star Trek – Logo zu fliegen, ist nicht gerade groß.

Ab 19 Uhr biegen die Vorbereitungen in die Zielgerade ein, das Wetter ist gut (der Brite würde wohl von frühlinghaft sprechen), die Reconnaissance-Drohne wird gestartet. Sie misst Windstärke und -Richtung in Formationsflughöhe, ihr Flugverhalten lässt Rückschlüsse zu, die für den Ablauf der Show essentiel sind. Umso besser, dass sie keine Probleme meldet, dem endgültigen Start also nichts mehr im Wege steht.

Es geht los

Um 20:15 Uhr geht es endlich los: Alle Quadrocopter sind an ihrem Platz und eingeschaltet, sie können das Startsignal genausowenig erwarten, wie die Crew. Der Start klappt tadellos, die Hummingbirds schwingen sich auf ihre vorgesehene Höhe, die Lichter gehen an, und es passiert: Ein riesiges Star Trek – Logo kuschelt sich an die Tower Bridge, überstrahlt die Themse und die zieht die Blicke auf sich. Als über den Funk der Kameraleute die Frage „Do you have the shot?“ bejaht wird, bricht endgültig Jubel aus, die Stimmung ist kaum in Worte zu fassen. Erleichterung, Stolz, das Wissen darüber, ausgezeichnete Arbeit geliefert zu haben, das alles ergibt einen fantastischen Cocktail der Euphorie.

Aber genug geschrieben, hier sind die Bilder.

Auf dem Weg in die finale Formation

Lebe lang und erfolgreich!

Weitere Fotos gibt es auch in Druckqualität auf Flickr zu sehen!

Shiny, happy people, und das vollkommen zu Recht. Das Quadcopter-Team wurde am Abend der Show von weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ars Electronica besucht, sowas lässt man sich nicht entgehen.

Am Ende hat es sich ausgezahlt, dem Wetter zu trotzen, eine bessere Performance an einer interessanteren Location kann man sich kaum wünschen. Jetzt geht es nach einer kurzen Feier wieder retour nach Linz und ins Futurelab, die nächsten Entwicklungsstufen entwickeln sich schließlich nicht von selbst.

Der Empfang zu Hause im Futurelab war amtlich

Wenn der Gusto auf eine eigene Spaxels-Show gar groß geworden ist, zahlt sich ein Ausflug auf die Website der Ars Electronica Solutions aus.

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