Impuls und Bewegung

Ars Electronica zeigt Ausstellung in Berlin:
Impuls und Bewegung
Am 11. Juli 2012 eröffneten Volkswagen AG und Ars Electronica ihre dritte gemeinsame Ausstellung im Automobil Forum Unter den Linden

(Berlin / Linz, 12. Juli 2012) Donnerstag, 12. Juli 2012 startet das dritte gemeinsame Ausstellungsprojekt von Volkswagen AG und Ars Electronica im Automobil Forum Unter den Linden. KünstlerInnen aus Europa, den USA und Japan setzen dabei Impulse und die durch sie angestoßenen Prozesse in Szene und fragen nach dem Spannungsverhältnis von Selbst- und Fremdbestimmtheit. Das Spektrum ihrer Arbeiten reicht von subversiven Strategien zur Aneignung des öffentlichen Raums über ungewöhnliche Methoden, unsere Welt mit anderen Augen zu sehen bis zur Nonsense-Maschine, die simple Aufgaben auf möglichst komplizierte Weise zu lösen versucht. „Impuls und Bewegung“ ist bis Sonntag, 16. September 2012 täglich von 10 bis 20 Uhr zu erleben, der Eintritt ist frei.

Die künstlerischen Arbeiten:

Floor (2007) / Cantoni/Crescenti (BR)

http://www.cantoni-crescenti.com.br

„FLOOR“ besteht aus einer meterlangen begehbaren Bahn aus dünnen Stahlplatten und einem darunter befindlichen, querliegenden Aluminiumbalken. Letzterer schiebt sich langsam von einem Ende der Bahn bis ans andere und wölbt dabei die Stahlplatte nach oben. Ergebnis ist eine Welle, auf deren blankpolierter Oberfläche sich das einfallende Licht immer wieder anders bricht. Und wie eine echte Welle im Wasser, hebt auch diese Welle jede/n sanft in die Höhe, unter der oder dem sie hinweg rollt.

In Your Hands (2008) / Dash Macdonald (GB)

Dash Macdonald fährt alles andere als handelsübliche Rollerskates. Seine Skates können per Funk ferngesteuert, in jede beliebige Richtung gelenkt werden. Im Rahmen der Performance „In Your Hands“ überantwortet sich Dash Macdonald Passanten auf der Straße und eröffnet diesen die Möglichkeit, ihn wie eine Spielfigur hin und her zu bewegen. Derart verführt, dauert es meist nicht lange bis der Künstler in immer absurdere Situationen manövriert wird. Im allgemeinen Gelächter darüber übersehen die meisten, worum es Dash Macdonald wirklich geht: Darum, wie weit Menschen gehen, um sich auf Kosten anderer zu amüsieren. „In Your Hands“ ist vom Milgram- und Stanford-Prison-Experiment inspiriert, „Impuls und Bewegung“ präsentiert ein Video der Performance.

Save YourSelf!!! (2007) / Junji Watanabe (JP)
www.junji.org/saveyourself

Auf recht ungewöhnliche Art und Weise stellt „Save YourSelf“ den Gleichgewichtssinn auf die Probe. Die Installation besteht aus einer halb mit Wasser gefüllten Glasschüssel, in der ein kleines Floß mit einer Pupe schwimmt. Letzteres ist mit einem Sensor ausgestattet, der auch noch kleinste Bewegungen registriert und in elektrische Impulse umwandelt. Via Kabel und Kopfhörer werden diese Impulse in Richtung Gehör der jeweiligen ProbandInnen weitergeleitet, während diese sich wiederum bemühen, Glaskugel und Floß so ruhig wie möglich in den Händen zu halten. Geraten Wasser und Floß dennoch in Bewegung, wird dies direkt an das Gleichgewichtsorgan im Innenohr übertragen – was die ProbandInnen wiederum garantiert ins Schleudern bringt.

CabBoots (2005) / Martin Frey (DE)
http://www.freymartin.de/de/projekte/cabboots

Mit seinen CabBoots präsentiert Martin Frey (DE) ein innovatives Leitsystem für FußgängerInnen. Das Interface macht Informationsvermittlung spürbar und intuitiv verständlich, indem es genau an dem Körperteil ansetzt, der direkt am Gehen beteiligt ist: unserem Fuß. Ausgangspunkt für Martin Freys Überlegungen ist die Topografie von Trampelpfaden, die in ihrer Mitte immer am meisten ausgetreten sind, weshalb das Niveau hier merklich unter dem der Ränder liegt. Geht man einen solchen Pfad entlang, setzen die Füße nur im Bereich der Wegmitte plan auf, links und rechts davon macht der nach oben gewölbte Boden ein leichtes – und unangenehmes – Anwinkeln des Fußes notwendig. Letzteres vermeiden wir ganz intuitiv und streben unweigerlich zur Mitte des Weges. Genau das macht sich Martin Frey nun zu Nutze: Indem seine CabBoots ihre Sohlen einfach nach außen oder innen hin anheben, lenken sie ihre bzw. ihren jeweiligen TrägerIn in eine bestimmte Richtung. Virtuelle Pfade können auf diese Weise blind nachgegangen werden. Die Software zur Positionsbestimmung und Pfadberechnung soll auf mobilen Geräten wie Smartphones oder iPhones, PDAs oder anderen laufen, die per Funk mit den CabBoots kommunizieren.

The Tenth Sentiment (2010) / Ryota Kuwakubo (JP)

http://www.vector-scan.com/

Ryota Kuwakubo lässt die Schatten ganz normaler Alltagsgegenstände Wände entlang tanzen, geheimnisvolle Objekte und poetische Landschaften ausformen. Ein schlichtes Nudelsieb verwandelt sich dabei in einen majestätischen Wolkenkratzer, eine Glühbirne in ein ganzes Kraftwerk. Ryota Kuwakubo verwendet ausschließlich Gegenstände, deren Wert und Sinn üblicherweise mit ihrer Funktionalität verknüpft ist. Genau diese Verknüpfung löst Ryota Kuwakubo auf und verleiht den Gegenständen dadurch völlig andere Bedeutung.

Transitions (2012) / Julius Stahl (DE)
http://www.juliusstahl.de/transitions.html

Mit „Transitions“ lädt Julius Stahl zu ungewöhnlichen SoundWalks ein. Die TeilnehmerInnen tragen dabei Kopfhörer, die sämtliche Klänge und Geräusche der Umgebung aufnehmen und per Funk an ein anderes Paar Kopfhörer übertragen. Jede/r TeilnehmerIn hört so mit den Ohren der/s anderen.

Acoustic Octahedral Geometry (2012) / Daisuke Ishida (JP/DE)

http://isddsk.com/

Daisuke Ishida erkundet Raum durch Klang. Der Künstler schafft eine Architektur, deren Formen und Grenzen ausschließlich akustischer Natur sind. Mittels Super-Richtschall schafft er Wände, Böden und Decken seiner unsichtbaren „Acoustic Octahedral Geometry “. Diese ist nur wahrnehmbar bzw. hörbar, sobald ihre Schallbündel durchquert und dabei unterbrochen, reflektiert und abgelenkt werden. Die dabei entstehenden Interferenzen wiederum bilden neue, wenn auch flüchtige Architektur.

Particles (2005) / Daito Manabe (JP)
http://www.daito.ws/en/work/particles.html

Daito Manabes (JP) „Particles” ist ein traumhaft schönes Lichtkunstwerk. In einem vollkommen abgedunkelten Raum rollen LED-bestückte Kugeln eine meterhohe, aus acht Schlaufen bestehende Spiralbahn hinunter. Da die LEDs immer wieder ganz kurz aufleuchten und ansonsten unsichtbar bleiben, entsteht der Eindruck, als würden Lichtpartikel durch den Raum schweben. Die jeweiligen Positionen der acht Kugeln und das Muster, in dem sie aufleuchten, erzeugen zudem eine Soundkulisse, die über acht Lautsprecherkanäle wiedergegeben wird.

Inter-Discommunication Machine (1993) / Kazuhiko Hachiya (JP)
http://eyebeam.org/people/kazuhiko-hachiya

Die „Inter-Discommunication Machine“ erlaubt es, die Welt mit den Augen einer/eines anderen zu sehen. Alles was es dafür braucht, sind zwei „Head Mounted Displays“ (kurz HMD). Letztere werden wie Brillen getragen, die an ihrer Innenseite mit Monitoren, an ihrer Außenseite mit einer kleinen, nach vorn gerichteten Videokamera ausgestattet sind. Per Funk werden die Videobilder des einen HMD nun zu den Monitoren des anderen HMD übertragen und umgekehrt. Jede/r sieht also das, worauf der Blick der/des jeweils anderen gerichtet ist.

Melonia Shoes (2010) / Naim Josefi (SE)

Die „Melonia Shoes“ bestehen zur Gänze aus Polyamid und werden mittels 3D-Druckverfahrens hergestellt. Die Schuhe sind aus einem Stück gefertigt und können, so sie ihrer/m TrägerIn nicht mehr gefallen, wieder eingeschmolzen und zum Druck neuer Schuhe verwendet werden. Ihre Funktionalität haben die auffälligen Schuhe im Rahmen der letztjährigen Stockholmer Modemesse bereits unter Beweis gestellt.

Tipp-Kicker (2012) / Joseph Herscher (US)
http://www.josephherscher.com/

Joseph Herscher (US) entwirft und baut riesige mechanische Apparaturen, um ganz bestimmte Aufgaben zu erledigen. Wobei die Aufgaben stets sehr einfach, die Maschinen dagegen so komplex wie möglich ausfallen. Angetrieben werden Herschers Apparaturen meist von Kugeln, die, einmal in Bewegung versetzt, mit verschiedenen Hindernissen kollidieren und dabei immer wieder neue Bewegung anstoßen. Auf Impuls folgt Bewegung folgt Impuls folgt Bewegung, solange bis irgendwann beispielsweise eine Gießkanne so weit geneigt wird, bis das darin enthaltene Wasser in einen Blumentopf läuft und die darin befindliche Pflanze mit Wasser versorgt. Joseph Herschers Apparaturen werden auch „Rube-Goldberg-Maschine“ genannt, eine Bezeichnung, die auf den US-amerikanischen Cartoonisten Reuben „Rube“ L. Goldberg zurückgeht. Dieser zeichnete Comics über einen Professor Lucifer Gorgonzola Butts, der ebenso unnötige wie komplexe Maschinen konstruierte.
Für „Impuls und Bewegung schuf Joseph Herschers den „Tipp-Kicker“, ein vom nahezu gleichnamigen Spiel inspirierter Wettstreit zwischen Mensch und Maschine, beim dem letztere versucht ein Tor zu schießen und ersterer versucht genau das zu verhindern. Und er wäre nicht Joseph Herscher, würde er diesen ziemlich simplen Sachverhalt nicht auf extrem komplexe Weise inszenieren. Und so entwickelt sich eine aberwitzige Kettenreaktion quer durch die gesamte Ausstellung, bei der sich ein Seil abwickelt, ein Fass wegrollt, ein Teekessel durch den Raum schwingt und allerhand andere Dinge passieren, bevor schlussendlich der Ball getreten wird. All das sollte der menschliche Spieler stets gut im Auge behalten, um den abschließenden Torschuss vorauszuberechnen.

Weitere Arbeiten werden in Form von Videos präsentiert:

The Page Turner (2012) / Joseph Herscher (US)
http://www.josephherscher.com/

Den Anfang dieser Geschichte bildet ein Schluck Kaffee, das Umblättern einer Zeitungsseite ihr Ende. Dazwischen liegt eine extrem fragile Kettenreaktion, die der US-Künstler Joseph Herscher in Form der Nonsense-Maschinen „The Page Turner“ auf beeindruckende Weise in Szene setzt.

Grand Rapids LipDub Video / Rob Bliss, Scott Erickson (US)
http://www.youtube.com/watch?v=ZPjjZCO67WI

Der Begriff „LipDub“ bezeichnet ein Musikvideo, das ohne einen Schnitt in einem Durchlauf aufgenommen wird und mit Lippensynchronisation – also ohne dass die Akteure und Akteurinnen tatsächlich singen – arbeitet. Am Dreh des „Grand Rapids LipDub Video“ waren ganze 5.000 Personen beteiligt, waren Marschkapellen, Paraden, Hochzeitsgesellschaften, Autos und Hubschrauber involviert und wurde ein Großteil der Innenstadt von Grand Rapids in Michigan abgesperrt. Das Video entstand als spontane Reaktion auf einen Artikel der „Newsweek“, in dem Grand Rapids als „sterbende Stadt“ bezeichnet wurde.

Needing Getting (2012) / OK Go

http://www.youtube.com/watch?v=MejbOFk7H6c

Vier Monate lang dauerten die Vorbereitungen für dieses Musikvideo der US-Band OK Go. Rund 1.000 Instrumente wurden entlang eines Zwei-Meilen-Parcours in der Wüste vor Los Angeles aufgestellt. Neben 50 Klavieren und einigen Dutzend Gretsch-Gitarren kamen dabei auch selbst gebaute Klangelemente zum Einsatz. Anschließend wurde ein Auto mit pneumatischen Armen ausgestattet und von Sänger Damian mit Vollgas durch den Kurs gefahren. Nach anstrengenden vier Tagen war alles im Kasten und ein Film entstanden, der wesentlich mehr als ein herkömmliches Musikvideo ist.

This too shall pass (2010) / OK Go
http://www.youtube.com/watch?v=qybUFnY7Y8w

Ganz viele winzige Details sind auch beim Video zu „This too shall pass“ die eigentlichen Hauptdarsteller. Allein um den Hindernisparcours auf „Start“ zu setzen, benötigten 60 MitarbeiterInnen eine volle Stunde. Der Dreh selbst wurde mit einer einzigen Steadicam umgesetzt und nahm mehr als zwei Tage oder 60 Versuche in Anspruch.

Home made Rollercoaster (2002) / John Ivers (US)
http://www.youtube.com/watch?v=AfsteApcvt4&feature=youtu.be

Weil John Ivers keine Lust auf Schlange Stehen mehr hatte, beschloss er kurzerhand sich eine eigene Achterbahn zu bauen. Gesagt, getan, seit 2002 ziert seine Achterbahn nun seinen Garten. Das unumstrittene Highlight dabei: der 360-Grad-Looping.

Ser y durar (2011) / Democracia (ES)
http://www.democracia.com.es/about-us/

Ende der 1980er Jahre begannen Jugendliche in den Pariser Vororten damit, sich ihre aus Stahl, Beton und Glas gestaltete Umwelt auf völlig neue Weise anzueignen. Herkömmliche bzw. vorgeschriebene Wege wurden zum Tabu erklärt und eigene Pfade ersonnen und eingeschlagen, Pfade, die immer so schnell und direkt wie möglich von A nach B führen mussten. In akrobatischer Manier überwanden die „Traceurs“ (das sind die, „die den Weg ebnen“) dabei vermeintlich unüberwindbare Hindernisse. Neben dem ganz bewussten Missachten des Gebotenen, legten die „Traceurs“ Wert darauf, ihre Umgebung nicht zu schädigen. „Parcours“ steht für ein von Vorschriften emanzipiertes, eigenverantwortliches Handeln, das Respekt und Achtung für Umwelt und Mitmenschen impliziert. 20 Jahre später ist „Parcour“ längst keine Jugendbewegung in den Banlieues mehr, sondern eine urbane Trendsportart. Die Traceurs von Democracia haben ihr Parcour-Video auf dem La Almudena Zentralfriedhof in Madrid gedreht.

Techno Jeep (2009) / Julian Smith (US)
http://www.youtube.com/watch?v=LFybwg4wadI

Unter der Leitung von Julian Smith entstand ein Techno-Lied, das ausschließlich aus Tönen besteht, die von einem Auto herrühren. Die Vorbereitungen dazu waren denkbar einfach: Zwei Wochen vor der Aufnahme suchte sich jeder der beteiligten „Musiker“ sein Lieblingsgeräusch aus, vom Zuschlagen der Türen oder dem Surren beim Verstellen der Sitze über das Klacken der einschnappenden Zentralverriegelung bis zum Ächzen des Anlassers. Alle diese Töne wurden zeitgleich mit Richtmikrofonen aufgezeichnet und anschließend digitalisiert.

pdf Pressetext „Impuls und Bewegung“

Photo:
Exhibition Opening / Christoph Schemel / Printversion / Fotoalbum Impuls und Bewegung

Photo:
The Tenth Sentiment / Fotocredit Keizo KIOKU / Printversion / Fotoalbum Impuls und Bewegung

Photo:
Save yourself!!! / Fotocredit Hideyuki Ando / Printversion / Fotoalbum Impuls und Bewegung

Photo:
Cabboots / Fotocredit Martin Frey / Printversion / Fotoalbum Impuls und Bewegung


This too shall pass (2010) / OK Go


Techno Jeep / Julian Smith


Grand Rapids LipDub Video / Rob Bliss, Scott Erickson