Neue Ausstellung: Zeit ist Held

Neue Ausstellung im Ars Electronica Center Linz
Zeit ist Held

(Linz, 5.12.2012) Wer beherrscht die Zeit? Wieso haben wir immer zu wenig von ihr und warum scheint sie, je älter wir werden, immer schneller zu vergehen? Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit haben sich Studierende des Masterstudiengangs MultiMediaArt der FH Salzburg dieser Fragen angenommen und in Form der Ausstellung „Zeit ist Held“ aufgearbeitet. Thomas Altmanninger, Marlene Eggenreich, Tobias Furtschegger, Friederike Krepela, Vinzenz Mayrhofer und Thomas Mühlberger entwickelten neun interaktive Szenarien, die vor allem das Verhältnis zwischen unserem Streben nach Glück und unserem Umgang mit der Zeit thematisieren. „Zeit ist Held“ ist von 7. Dezember 2012 bis 30. Juni 2013 im Ars Electronica Center Linz zu sehen.

Die Erfindung der Zeit – Befreiung oder Zwang?

Periodische Naturphänomene wie Tag und Nacht, Ebbe und Flut oder der Wechsel der Jahreszeiten haben den Menschen seit jeher dazu gezwungen – oder es ihm ermöglicht – sich seine Zeit einzuteilen und überlebensnotwendige Tätigkeiten wie Aussaat und Ernte zu planen. Ausnahmslos alle Kulturen haben im Laufe der Geschichte ihre Zeitpläne bzw. mehr oder weniger genaue Kalender entwickelt, die das Zeitempfinden der Menschen bald stärker prägten als die Naturzyklen selbst. Vor allem die industrialisierten und modernen Gesellschaften unterwarfen und unterwerfen ihre Mitglieder einem immer rigideren Zeitdiktat der Zeit. Machten die frühen Kalender erstmals vorausschauendes Handeln möglich und minderten damit die Sorgen und Ängste der Menschen, macht der Zeitdruck heute immer mehr Menschen krank. Den richtigen, sprich gesunden Umgang mit den uns auferlegten Zeitstrukturen zu finden, scheint daher immer wichtiger zu werden – denn Zeit ist heute Held.

Zeitstrukturen, Zeitempfindung, Zeitgestaltung

Die Ausstellung „Zeit ist Held“ gliedert sich in drei Themenschwerpunkte: Zeitstrukturen, Zeitempfindung und Zeitgestaltung. Räumlich voneinander getrennt, führen sie die auf uns wirkenden Zeitstrukturen vor, lenken den Fokus auf das jeweils eigene Zeitempfinden und geben einen Denkanstoß zur persönlichen Zeitgestaltung mit auf den Weg. Inhaltliche Überschneidungen eröffnen dabei immer wieder Querverweise zwischen den Arbeiten.

Zeit ist Held / die Arbeiten

Laternenanzünder – Unendliche Sonnenuntergänge

Die unaufhörliche Abfolge von Tag und Nacht hat schon immer schon den Rhythmus, den Takt unseres tagtäglichen Lebens bestimmt. Im Rahmen unserer Möglichkeiten, haben wir uns davon dennoch Stück für Stück emanzipiert, indem wir unsere Wohnungen, Häuser, Straßen und Städte künstlich beleuchten oder mittels neuer Technologien Zeitzonen überbrücken bzw. aufheben. Das Webcam-Panorama visualisiert das Bestreben der Menschheit, eine globale Gleichzeitigkeit zu erreichen. In Echtzeit und auf einen Blick wird hier die gesamte Welt präsentiert. Tag und Nacht existieren nebeneinander und können interaktiv im Zeitraffer gesteuert werden.

Zeitbilder – Das Zeitverständnis im Wandel

Zeit war immer schon etwas, das die Menschen beschäftigt hat. Um dem ungreifbaren und unsichtbaren Phänomen Kontur zu verleihen, entwickelte man unterschiedliche Vorstellungen vom Ablauf der Zeit: zyklisch wiederkehrend, linear einem Ende zulaufend oder wie zerteilt in einzelne Atome. Hand in Hand mit kulturellen, technologischen und wissenschaftlichen Entwicklungen veränderte sich dieses Zeitverständnis.

Zug der Zeit – Zug um Zug zur synchronisierten Zeit

Vor dem Aufkommen der Eisenbahn im 19. Jahrhundert galt an einem Ort die jeweils lokale Echtzeit. Erst mit der Zunahme der Mobilität und vor allem durch die überregionalen Zugverbindungen wurde eine weltweit einheitliche Uhrzeit definiert. Heute gilt die UTC (Universal Time Coordinated) als Weltzeit. Ihr Nullmeridian geht durch den englischen Ort Greenwich, der Ausgangspunkt aller Zeitzonen ist. Der „Zug der Zeit“ greift die durch den menschlichen Fortschritt bedingte Synchronisation der Zeit modellhaft auf.

Stimmen zur Zeit – Experten, Beobachter und Medien sprechen über Zeit

Bei „Stimmen zur Zeit“ erzählen Gespräche, Geschichten und persönliche Gedanken über den Charakter der Zeit. Sogar Google äußert sich aus Sicht eines Knotenpunktes der digitalen Medien. BesucherInnen sind eingeladen das Werk für ein Experiment zu nutzen und festzustellen, ob sie sich in Ruhe auf die einzelnen Stimmen konzentrieren können. Denn ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, scheint in unserer parallelisierten Welt eine fast verloren gegangene Eigenschaft zu sein. Monotasking statt Multitasking als eine Überwindung der aufgezwungenen Gleichzeitigkeit.

Lebenstempo – Dein Lebenstempo im Vergleich zu anderen Ländern

Die Geschwindigkeit, in der wir unseren Alltag und unser Leben durchwandern, ist von Kultur und Geografie bestimmt. Laut dem amerikanischen Psychologen Robert Levine wird das Lebenstempo durch fünf zentrale Faktoren maßgeblich beeinflusst: Ökonomie, Industrialisierung, Population, Klima und kulturelle Werte. Dieses generative Werk bietet die Möglichkeit, das eigene Lebenstempo auf abstrakte Weise dem Lebenstempo anderer Länder gegenüberzustellen. Im zentralen Blickfeld befinden sich die/der BetrachterIn, umgeben von der Visualisierung des ausgewählten Landes. Je höher die Übereinstimmung des Lebenstempos von BesucherIn und Land ist, desto mehr verschwimmen die Grenzen.

Leben im Ladebalken – Stillstand im Rad der Ruhelosigkeit

Die Warte-Toleranz unserer beschleunigten Gesellschaft ist gegen Null gesunken. Dennoch ist auch vor allem unser digitaler Alltag voll von Warteprozessen. „Leben im Ladebalken“ greift das Wartesymbol des Apple Betriebssystems auf, das erst aus der Ferne ersichtlich wird. Den einzelnen Pixeln wird jeweils ein Arbeitsprozess des Computers und die hierfür in Anspruch genommene Zeit zugewiesen. Aus der Nähe erkennt man die 312 Wartesituationen, die vom digitalen Raum auf 312 Karton-Pixel in die reale Ausstellung übertragen wurden.

Eilkrankheit – Zeitdruck als Lebenseinstellung

Zeitliche Strukturen und gesellschaftliche Zwänge fördern aktuelle Themen wie Stress und das Gefühl der Unaufhaltsamkeit der Zeit. Laut den PsychologInnen Diane Ulmer und Leonhard Schwartzburd birgt die Diagnose der „Eilkrankheit“ ernst zu nehmende Gefahren, vor allem für das Herz-Kreislauf-System. Soziale Beziehungen sowie das Selbstwertgefühl werden bei den betroffenen Personen ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Einen richtigen Umgang mit den uns auferlegten Zeitstrukturen zu finden erscheint daher immer erstrebenswerter. Das Protokoll zur Aufnahme des Zeitverhaltens bietet die Möglichkeit, das persönliche Verhältnis zur Zeit festzustellen.

Weltsekunde – Das Weltgeschehen im Sekundentakt

Eine einzige Sekunde ist ein scheinbar unwichtiger Bruchteil der Zeit, der dennoch bedeutende Auswirkungen hat. Überfüllt mit Ereignissen begründet jede Sekunde die Geschichte unserer Welt. Vier Flipbooks bieten die Möglichkeit, die Fakten einer Art globalen Momentaufnahme zu erkunden. Über ein Frage-Antwort-Spiel zu Umwelt, Internet und Mensch wird das eigene Vorstellungsvermögen auf die Probe gestellt.

Momente und Erdbeeren – Jeder Moment ist kostbar

Ein Mönch geht eines Tages auf einem Hochplateau spazieren. Plötzlich hört er hinter sich einen gefährlich fauchenden Tiger, der schnell auf ihn zukommt. Um dem Tier zu entkommen läuft der Mönch so schnell er kann, rennt aber geradewegs auf einen Abgrund zu. Am äußersten Rand der Kante angekommen, rutscht er ab, kann sich aber im letzten Moment noch an einer Wurzel festhalten. Trotzdem bleiben über ihm der Tiger und unter ihm der Abgrund. Da erblickt er plötzlich eine wilde Erdbeere, direkt vor seinem Gesicht. Er pflückt sie, isst sie und murmelt: „Wie köstlich!“ Im Augenblick zu leben lässt Vergangenheit und Zukunft unbedeutend erscheinen. Fünf Werke spiegeln die persönliche Suche nach einem Erdbeermoment.

Pressetext „Neue Ausstellung: Zeit ist Held“ / PDF

Hintergrundinfos zur neuen Ausstellung Zeit ist Held finden Sie auf unserem Blog. Neben einem Überblick über das Thema finden Sie dort auch ein Interview mit den AusstellungsmacherInnen und erfahren unter anderem, wie die Idee zur Ausstellung überhaupt entstanden ist, was die StudentInnen im Zuge der Recherche für sich gelernt haben und worüber sie sich besonders freuen würden. Die beiden Blog-Einträge finden Sie hier.

Radiobeitrag zu Zeit ist Held / mp3

Photo:

Lebenstempo / Zeit ist Held / Printversion / Album

Photo:

Leben im Ladebalken / Zeit ist Held / Printversion / Album

Photo:

Eilkrankheit / Zeit ist Held / Printversion / Album

http://www.youtube.com/watch?v=r8yyfrOZrxw
Doku über die Zeit