CyberArts 2013 – Martin Sturm im Interview

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Wie jedes Jahr ist die CyberArts-Ausstellung eines der Highlights des Festivals. Die Gewinner-Projekte des Prix Ars Electronica werden gezeigt, Installationen, Videos, Performances. Martin Sturm ist als Direktor des OK Offenes Kulturhaus im OÖ Kulturquartier für die Gestaltung der Ausstellung verantwortlich, im Interview verrät er, was dieses Jahr alles aufs Linzer Publikum zukommt.


Martin Sturm, Leiter des OK Offenes Kulturhaus im OÖ Kulturquartier

Ganz allgemein, was kann man von der diesjährigen CyberArts erwarten? Worauf darf sich das Publikum freuen, was sind die Highlights?

Die CyberArts ist ja seit vielen Jahren schon eine Art Schnittmenge digitaler Medienkunst, wenn man so will, und interessant ist, dass sich durch die Entwicklung der verschiedenen Kategorien sich auch in diesem Bereich der Kunst eine sehr starke soziale Komponente abbildet. Die Zeit der bloßen Spielerei sozusagen ist also vorbei (die Frage ist natürlich, ob sie jemals da war) oder man kann sagen, dass es nicht nur um einen verspielten technischen Blick auf Medien geht, sondern dass diese eingesetzt werden, um bestimmte politische Ziele zu erreichen, um bestimmte soziale Netzwerke zu bilden, um die Informationskanäle auszunützen. Also das, was sich in der allgemeinen politischen Debatte über die neuen medialen Organisationsformen – auch des Widerstandes vor allem in den arabischen Ländern – zeigt, zeigt sich auch in der engeren, sozusagen spezifischen künstlerischen Auseinandersetzung.


Cosmopolitan Chicken Project von Koen Vanmechelen, eines der Highlights der CyberArts 2013

Wir haben zum Beispiel eine spanische Gruppe, die InitiatorInnen von El Campo de Cebada, die auch Preisträger ist, eingeladen, die sozusagen einen öffentlichen Platz als Art soziale Aktion gestaltet, in Form von Workshops, die den Netzwerkgedanken unmittelbar als Arbeitsform einsetzen.

Quasi auch als Open-Source bzw. als sehr transparentes Netzwerk.

Genau. Diese Zugänglichkeit zu Ressourcen, diese Open-Source-Projekte, die ja in den letzten Jahren auch zugenommen haben, wo man sich also was runterladen kann, auch Bauanweisungen etc., also dieser Aspekt spielt in der CyberArts eine große Rolle.

Das wird ja auch noch mit zwei anderen Projekten abgedeckt, nämlich einerseits über Visualisierungen der Zustände in Palästina, andererseits eine Suchmaschine für Flüchtlinge. Diese Netzwerkkultur im engen und weiten Sinn wird ein Großteil der CyberArts sein?

Es ist ein wichtiger Aspekt, ja. Und den muss man auch sichtbar machen, nämlich dass die Besucher auch begreifen, dass gerade in diesem Bereich der Kunst unmittelbare soziale Relevanz vorhanden ist, durch den Einsatz der Werkzeuge sozusagen. Also dass dort die Distanz zwischen Kunstraum und Lebensraum aufgehoben ist.

Also dass die Kunst mitten im Lebensraum stattfindet.

Genau. Und viel stärker, als es im klassischen Kunstkanon möglich ist.


Nicolas Bernier wird mit frequencies auftreten

Jetzt gibt’s auch das Cosmopolitan Chicken Project, bei dem es darum geht, dass ein belgischer Künstler versucht, ein Huhn zu züchten, welches vom Genpool her die ganze Welt abdeckt, also alle Hühnerrassen, die es gibt. Wie wird so etwas bei der CyberArts dargestellt?

Das ist ja ein interessantes Projekt, weil es eigentlich ein richtiges Kunstprojekt ist. Natürlich hat das auch bestimmte Fragestellungen, konkrete soziale Fragestellungen, aber das ist ähnlich wie es normalerweise in der Kunst funktioniert, dass man anhand eines Projekts, das symbolisch aufgeladen wird, bestimmte Fragen stellt. Natürlich hat er das Huhn auch real gezüchtet, aber Hühnerzüchtung ist ja nichts Besonderes. Aber da bedient er sich der Kunst: es gibt einfach unterschiedliche ästhetische Darstellungsformen. Er macht Bilder von den Hühnern, Photographien, Drucke, das reale Huhn versucht man zu präsentieren. Also im Bereich der Objektkunst gibts Gegenstände, die er mitpräsentiert, es gibt Videos, die er inszeniert, sozusagen Geschichten, die er erzählt, also er bedient sich eines sehr breiten Instrumentariums, um diese Idee, dieses Konzept auch in einer Ausstellung zu präsentieren.

Das Huhn ist also Ausgangspunkt und Inspiration für weitere…

Genau. Und da gehts eher auch um solche Fragen, wie: was bedeutet Globalisierung, was ist, wenn man das ernst nimmt und sagt, man macht das so in der Züchtung und verfolgt das dort bis zur letzten Konsequenz. Es hat auch immer ein bisschen eine ironische Note. Dort, wo es real wieder eingreift, ist es der Tierschutz, kann man ein Huhn in einer Ausstellung präsentieren, welche Auflagen kriegt man …

Also werden wir sozusagen einen Hühnerstall sehen?
Genau, da muss man sich dann wieder mit den realen Regeln und Rahmenbedingungen auseinandersetzen.

Wo dann Kunst doch ihre Grenzen findet?

Genau, wo dann eben das Bild leichter auszustellen ist als etwas Reales.


Visualizing Palestine

Was haben sie persönlich noch für Lieblingsprojekte? Gibts noch Dinge, die herausstechen oder auf die sie sich schon richtig freuen?

Worauf ich mich diesmal freue, ist, dass wir versuchen, diesmal auch so richtig die Bandbreite der verschiedenen Preiskategorien darzustellen und auch ein bisschen die Geschichte der Preiskategorien zu reflektieren, um zu zeigen, wie vielseitig und breit dieser digitale Ansatz ist. Diese Vielseitigkeit wird sicher Charakteristik dieser CyberArts, und darauf freue ich mich.

Die Projekte und Installationen der CyberArts 2013 gibts auf ars.electronica.art/totalrecall.

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